: Finnisches Umweltmonster pleite
ROHSTOFFE Der wichtigste Nickeltagebau in Europa, Talvivaara, meldet Insolvenz an. Jetzt muss der Staat für hunderte Millionen Euro die vergiftete Natur sanieren
VON REINHARD WOLFF
STOCKHOLM taz | Europas größter Nickeltagebau ist am Ende: Die Grubengesellschaft Talvivaara im Norden Finnlands ging vergangene Woche in Konkurs. Wirtschaftsminister Jan Vapaavuori teilte mit, dass der Staat die Firma übernehmen werde, um die vergiftete Umwelt zu sanieren und den Betrieb abzuwickeln. Das wird Finnland mehrere hundert Millionen Euro kosten. Vapaavuori spricht von „einer der größten Industriekatastrophen unserer Zeit“.
2008 hatte der Tagebau seinen Betrieb aufgenommen; schon vier Jahre später bilanzierte der finnische Umweltminister Ville Niinistö: „Man hat die Menschen dort zu Versuchskaninchen gemacht.“ Die Nickelgewinnung in Talvivaara basiert auf „Bioleaching“ – einer Technik, bei der das im Tagebau gewonnene Gestein auf große Halden getürmt und mit Schwefelsäure besprüht wird. Dadurch bilden sich Bakterienkulturen, die Nickel und Zink herauslösen. Es bleiben gewaltige Mengen schwefel- und schwermetallhaltiger Abwässer übrig, die aufgrund des Talvivaara-Gesteins auch noch einen hohen Urangehalt haben und von dem mehrere Millionen Kubikmeter in großen offenen Becken gelagert werden.
Unzählige Male gab es Lecks. Vor zwei Jahren brachen die zu schwach ausgelegten Dämme, und 800 Millionen Liter der giftigen Brühe ergossen sich in die Natur. Gewässer in einem Radius von über 100 Kilometern wurden verseucht. Es laufen mehrere straf- und zivilrechtliche Verfahren gegen verantwortliche Manager und das Grubenunternehmen, weil sie gegen Umweltgesetze und Betriebsauflagen verstoßen haben sollen. Zudem fordern AnwohnerInnen, deren Eigentum zerstört wurde, Schadenersatz. Talvivaara wurde nach dieser Katastrophe zwar nicht wie von Umweltschützern gefordert ganz dichtgemacht. Aber wegen ungelöster technischer Probleme und eines sinkenden Weltmarktpreises für Nickel wurde die Produktion unrentabel. Ein Insolvenzverfahren wurde mit Hilfe staatlicher Geldspritzen lange verzögert, weil der Staat sich bemühte, die rund 500 Arbeitsplätze zu retten.
Doch auch nach Beginn des Verfahrens kann der Bioleaching-Prozess nicht von heute auf morgen abgebrochen werden. Experten gehen davon aus, dass dieser erst in zwei bis drei Jahren gestoppt sein wird und ständig überwacht werden muss.
In den Abwasserbecken lagern mittlerweile 7 Millionen Kubikmeter einer stark schwermetall- und uranhaltigen Brühe. Bis zum Frühjahr könnten es 11 Millionen Kubikmeter sein. Dann drohen die Becken überzulaufen. Bislang weiß niemand, was mit dem Abwasser geschehen soll. Die Betriebsgenehmigung war erteilt worden, obwohl ein funktionierendes Entsorgungskonzept fehlte.
Die Suche nach Schuldigen ist im Gang. Medien sprechen von einem unverantwortlichen Projekt, bei dessen Genehmigung offenbar nur der erhoffte Beschäftigungseffekt eine Rolle gespielt habe. Es wird diskutiert, ob es Korruption gab – denn politische Entscheidungsträger hatten persönliche wirtschaftliche Interessen: Sie hielten selbst Anteile an der Grubengesellschaft. Kritiker fordern deshalb, einen Untersuchungsausschusses einzusetzen. „Die Kalkulation ging von Anfang an nicht auf“, sagt Antti Lankinen vom finnischen Naturschutzverband. Er hofft, dass der Staat nun für eine wirkliche Sanierung der kontaminierten Gewässer und Böden sorgt. Von Kosten in Höhe von mindestens 400 Millionen Euro ist die Rede.