heute in bremen
: „Das Spiel der Reichen“

Bei der langen Nacht der Museen wird in der Kunsthalle erklärt, woran man Kunst erkennt

taz: Herr Leyer-Pritzkow – und Sie sagen den Leuten jetzt, welche Kunst sie kaufen sollen?

Martin Leyer-Pritzkow: Also da würde ich schon ein Stückchen weiter gehen. Klaus Sebastian und ich erklären, worauf man achten soll, um sich Gegenwartskunst nicht ganz so unbedarft zu nähern. Wir haben in unserem „Kunstkaufbuch“ dafür zehn Qualitätskriterien aufgestellt…

Zum Beispiel?

Eins, das ich besonders mag, ist das Mysteriums-Kriterium: Ein gutes Werk hat aber immer noch etwas Offenes, ein Geheimnis.

Auch On Kawaras viel zitierte Datumsbilder?

Aber sicher: Jedes Datum bedeutet für jeden etwas anderes, ebenso wie die Zeit, die verstrichen ist. Und eben die Frage wie er das präsentiert – er macht aus dem Datum ein Gemälde und um seine Person ein Geheimnis.

Worauf sollte achten, wer anfängt, zu sammeln?

Man sollte nicht sammeln, was man einfach nur schön findet, sondern das, von dem man sich provoziert fühlt. Menschen empfinden das Bekannte als schön. Das Neue wirkt dagegen oft abstoßend oder doch fremd.

Aber eine Qualitäts-Garantie ist Hässlichkeit auch nicht.

Nein, das kann man wirklich nicht sagen.

Momentan ist der Kunstmarkt wegen Rekord-Erlösen in aller Munde…

Es gibt im Grunde zwei Kunstmärkte: Kunstbegeisterte kaufen Werke, um Anteil zu nehmen am Lebensgefühl ihrer Zeit. Sie sind die Wegbereiter für die Kunst von morgen. Das, was momentan so viele beschäftigt, bezieht sich dagegen auf vielleicht 1.000 Künstler. Mit denen lassen sich Traumpreise erzielen. Aber das ist das Spiel der Reichen, der Spekulanten und Investoren. Mit Kunstrezeption hat das nichts zu tun. Wenn Herr Lauder für Klimts „Adele Bauer“ 150 Millionen Dollar zahlt, will er wahrscheinlich eher den Wert seiner eigenen Sammlung mit deutscher und österreichischer Kunst steigern. FRAGEN: BES

Lange Nacht der Museen: Alle Bremer Museen ab 18 Uhr; Martin Leyer-Pritzkow / Klaus Sebastian: Das Kunstkaufbuch, Prestel, 14,95 Euro; Vortrag: 20 Uhr, Kunsthalle