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Archiv-Artikel

Tatsächliche Einwohnerzahl egal

FINANZEN Das Verwaltungsgericht hat die Zensusklage von Bremerhaven abgewiesen. Danach ist die Erhebung auf Melderegister-Basis verfassungskonform. Die Seestadt geht voraussichtlich in Berufung

Von GJO
„Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in Berufung gehen, ist groß“

Horst Keipke, Bürgeramtsleiter

Das Verwaltungsgericht hat die Zensusklage von Bremerhaven nach einem Verhandlungstag und zweiwöchiger Beratungszeit abgewiesen. Die Stadt hatte gegen die 2011 durch die Erhebung festgesetzte Einwohnerzahl von 108.156 geklagt und dabei die statistischen Berechnungsmethoden bemängelt. Der Zensus errechnete die Zahl auf Grundlage des Melderegisters und glich diese mit Stichproben in einzelnen Haushalten ab.

Gestützt auf einen Gutachter betonte das Gericht die Legalität der Erhebungen: Das Zensusgesetz 2011 sei mit dem Grundgesetz vereinbar.

Zwingende Qualitätsvorgaben sorgten innerhalb der Erhebung dafür, dass die Abweichung zur tatsächlichen Einwohnerzahl nicht mehr als 0,5 Prozent betrüge. In Bremerhaven wären das zirka 500 Personen. Im Urteil steht dazu: „Bremerhaven hat keinen Anspruch darauf, dass ihre tatsächliche Einwohnerzahl als amtliche Einwohnerzahl festgesetzt werde.“

Trotz dieser verwirrenden Formulierung betont das Gericht – abgesehen vom zulässigen Standardfehler – die Richtigkeit der Ergebnisse. In der Kammer ging es um die Fragen, „ob es eine tragfähige rechtliche Grundlage für den Zensus gibt und das Verfahren vor Ort richtig umgesetzt worden ist“, sagt der Sprecher des Verwaltungsgerichts Bremen, Rainer Vosteen. In beiden Fällen laute die Antwort: ja. Die Stadt mit ehemals 113.000 Einwohnern prüft derzeit die Urteilsbegründung, geht aber weiterhin von mindestens 2.000 Einwohnern mehr aus.

Das ergebe sich allein durch die Auszählung von Ausländerakten, so Bremerhavens Bürgeramtsleiter Horst Keipke. Gemäß Länderfinanzausgleich stünde der Seestadt in diesem Fall mehr Geld zu. Bremerhaven wollte eine Nachzahlung von bis zu 400.000 Euro erstreiten. Zudem setzte man auf eine aufschiebende Wirkung des Verfahrens, die das Land Bremen jedoch schon im Vorweg durch eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht aushebelte.

Die Verhandlung erzeugte überregional Interesse, da es das erste Verfahren zum Zensus 2011 ist. Bundesweit gibt es eine Vielzahl von Klagen von vermeintlich benachteiligten Kommunen und Städten. Trotzdem sei das Urteil nicht verbindlich für andere Gerichte, sagte Vosteet, da die Einwohnerzahl vielerorts auf andere statistische Weise ermittelt worden sei.

Dennoch ließ das Verwaltungsgericht Bremen wegen „der grundsätzlichen Bedeutung“ die Berufung am Oberverwaltungsgericht zu, wie es in dem Urteil heißt. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in Berufung gehen, ist groß“, sagt Keipke. Bremerhaven steht dabei im Austausch mit ebenfalls klagenden Kommunen wie Heilbronn in Baden-Württemberg und Wilhelmshaven in Niedersachsen, so der Bürgeramtsleiter. Überrascht war man nach der Verhandlung nicht von dem Urteil, so Keipke, gibt sich jedoch noch nicht geschlagen: Mit Berufung sei in zwei Wochen zu rechnen.  GJO