: Er bleibt dann mal hier
POP Seit kurzem ist auch er Wahlberliner: Der britische Musiker Fink spielt ab Montag an drei Abenden im Heimathafen
VON THOMAS WINKLER
Zugegeben, nach Berlin zu ziehen ist jetzt keine so neue Idee. Allerdings: Dass nun auch Fin Greenall auf diese Idee gekommen ist, macht sie erstens nicht schlechter. Und zweitens passt kaum ein Musiker so sehr nach Berlin wie der 42-jährige Brite, der sich Fink nennt. Denn Greenall begann einst als DJ und Produzent eher elektronischer Musik, hat sich aber zum Singer/Songwriter entwickelt und zuletzt sogar das altmodische Konzept Band wiederentdeckt.
Und ist es nicht so, dass vor allem in Berlin der Widerspruch zwischen Club und Wohnzimmer, zwischen Dancefloor und Lagerfeuer, zwischen beatgetriebener und Song-bestimmter Musik, zwischen Abrisswand und Blümchentapete, ja sogar zwischen urbaner Betriebsamkeit und ländlicher Behäbigkeit als ein scheinbarer entlarvt wurde? Wo, wenn nicht hier, kann man nicht nur glücklich zwischen diesen Stühlen leben, sondern diese Widersprüche sogar konstruktiv auflösen?
Also hat Greenall nach zehn Jahren sein Haus in Brighton samt Studio eingetauscht gegen eine Altbauwohnung in Kreuzberg. Kurz nach dem Einzug zu Beginn dieses Jahres fanden die alljährlichen Maifestspiele statt und der Neuberliner postete auf seinem Blog Fotos mit dem Blick aus seinem Schlafzimmerfenster auf die Oranienstraße. Begeistert registrierte er die „angry punk dudes“ und das „gewaltige Polizeiaufkommen“, und ein wenig erschauerte er bei dem Gedanken an die Straßenschlachten früherer Jahre, von denen ihm seine Berliner Freunde berichtet hatten. „Ich wollte ein bisschen städtischer leben als in Brighton“, erzählte er später in einem Interview, „ich liebe den Vibe, ich liebe die Energie in Berlin. Ich glaube, ich bleibe ein bisschen hier.“
Tatsächlich geht – ja, solch einen Status hat diese Stadt mittlerweile – für Greenall mit dem Umzug ein Traum in Erfüllung, den er angeblich schon lange träumte. Bereits als Teenager, behauptet er, wollte er in Berlin leben. Vor drei Jahren veröffentlichte Fink mit „Berlin Sunrise“ bereits einen Song, der genau jenen mittlerweile wohl weltweit bekannten Moment einfängt, in dem der Nachtschwärmer aus dem Club torkelt, um festzustellen, dass gerade die Sonne aufgeht, und sich zu fragen, wie und wo die Nacht in diesen Tag hinein verlängert werden kann: „You’re gonna come down“, singt Greenall, aber bis es so weit ist, bis der Moment gekommen ist, in dem man dann doch wieder runterkommen muss: „Let’s do some more and just ignore the day that’s coming.“ Seit er in Berlin wohnt, ist es ihm aber gelungen, die Nacht nicht ewig zu verlängern. Es gibt nun von Greenall geschossene Beweisfotos, auf denen die Reste der Mauer am helllichten Tag zu sehen sind, und auch die Bowie-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau hat er besucht, vermutlich zu den gewöhnlichen Öffnungszeiten.
„Hard Believer“, das aktuelle, im Juli erschienene Album ist trotzdem noch in der alten Heimat Brighton geschrieben und in London, Los Angeles und Amsterdam eingespielt worden. Es ist das erste seit drei Jahren, die Greenall vornehmlich mit dem Komponieren von Film- und Fernsehmusiken verbracht hat, darunter auch große Hollywood-Produktionen wie „12 Years A Slave“. Auch als Ko-Autor für andere arbeitet er regelmäßig. Zu seinen Kunden gehörten schon die gerade angesagte Banks, die junge Amy Winehouse, und auch John Legends Hit „Green Light“ geht mit auf sein Konto.
Im Verhältnis dazu klingt „Hard Believer“ natürlich sehr viel intimer. Mit diesem sechsten Album schließt Fink sie endgültig ab, seine Wandlung vom Produzenten bisweilen räudiger TripHop-Tracks zum nahezu klassischen Songwriter, der seine Musik auf der Bühne bei Gelegenheit auch von einem Orchester begleiten lässt. Zwar gibt es hin und wieder doch einen tanzbaren Rhythmus zu bestaunen, mit „White Flag“ sogar einen Dub-Track. Aber meistens studiert der Brite Greenall solch uramerikanische Musiken wie den Blues, der im Titelsong des Albums so flauschig wie wohl noch nie klingt in seiner langen Geschichte. Denn das vor allem zeichnet „Hard Believer“ aus: das sanfte, plüschige, nachgerade an Coldplay erinnernde Klangbild, das selbst schnellere, dramatische Songs wie „Shakespeare“ immer noch klingen lässt wie Pusteblumen und das Album immerhin bis auf Platz 25 der deutschen Charts befördert hat.
In all dem Wohlklang schwingt aber auch auch immer etwas Düsteres mit. Greenall und seine beiden Mitmusiker, Schlagzeuger Tim Thornton und Guy Whittaker, Bassist und Sohn des pfeifenden Schlagersängers Roger Whittaker, sind in der Lage, noch die betörendste Melodie mit einer bedrohlichen Stimmung zu unterlegen. Und auch das passt dann doch wieder gut zu Berlin, das diesem berückenden Sommer nun vermutlich einen dunklen, bitteren Winter wird folgen lassen. Ob sich Fin Greenall auch auf den schon freut, seit er ein Teenager ist?
■ Fink: „Hard Believer“ (R’Coup’D/ Ninja Tune/Rough Trade) Konzerte: 15., 17. und 18. 11., 21 Uhr, Heimathafen Neukölln