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Archiv-Artikel

Karlsruhe: Feuer schädigen den Staat

Die Bundesanwaltschaft sieht den Staat durch linksradikale Brandanschläge „erheblich“ geschädigt

FREIBURG taz ■ Die Bundesanwaltschaft (BAW) will auch weiterhin die Verursacher linksradikaler Brandanschläge als „terroristische Vereinigung“ verfolgen. Auch Brandanschläge ohne Personenschäden können den Staat „erheblich“ schädigen, sagte BAW-Sprecher Andreas Christeleit der taz.

Unter Rot-Grün war der Strafrechtsparagraf 129 a, der die Gründung und Unterstützung von terroristischen Vereinigungen verbietet, teilweise entschärft worden. Gruppen, die nicht auf Mord und Totschlag ausgerichtet sind, können nur noch dann als „terroristische Vereinigung“ eingestuft werden, wenn ihre Taten den Staat „erheblich“ schädigen können. „Wir wollten verhindern, dass der Staat gegen kleine und kleinste Grüppchen wegen einiger Brandstiftungen und Sachbeschädigungen, die sicher strafbar sind, gleich den Riesendampfhammer auspackt“, erklärte jüngst der Grünen-Abgeordnete Jerzy Montag im taz-Interview (21. 5. 2007).

Bei der Verfolgung militanter G-8-Gegner im Vorfeld des Gipfels von Heiligendamm hat Generalbundesanwältin Monika Harms die Neuregelung nach Ansicht von Montag „ignoriert“. Inzwischen hat Harms erneut zugeschlagen. Vorige Woche hatte die Bundesanwaltschaft elf Wohnungen und Objekte in Hamburg und Bad Oldesloe durchsucht. Eine terroristische Vereinigung soll in den Jahren 2002 bis 2006 drei Brandanschläge auf Fahrzeuge und Gebäude der Bundeswehr und wehrtechnischer Firmen verübt haben (taz vom 14. 6.).

Erneut stellte sich die Frage: Wie kann durch solche Brandanschläge der Staat gefährdet werden? BAW-Sprecher Andreas Christeleit betont auf Nachfrage der taz zum einen die Gefährlichkeit mancher Anschläge: „Auf einem der ausgebrannten Lkws waren erkennbar Gasflaschen geladen“. Vor allem aber verweist er auf eine jüngere Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum novellierten Paragrafen 129 a. Danach sei es typisch, dass terroristische Vereinigungen ihre Ziele im Sinne einer „Nadelstichtaktik“ erst „durch eine Vielzahl von Straftaten“ erreichen. Es komme also nicht auf die Gefährlichkeit der einzelnen Taten, sondern auf deren Gesamtheit an, so der BGH Anfang 2006 (Az.: 3 StR 263/05).

Bei dieser Entscheidung ging es um das rechtsradikale Freikorps Havelland, das ab 2003 das Ziel hatte, mit Brandanschlägen auf Geschäfte von Ausländern das Havelland in Brandenburg „ausländerfrei“ zu machen. Die elf Beteiligten waren zur Tatzeit 14 bis 19 Jahre alt und verübten zehn Anschläge auf Geschäfte und Imbisse von Zuwanderern mit einem Gesamtschaden von 800.000 Euro. Der BGH bestätigte die Einstufung der Gruppe als terroristische Vereinigung.

CHRISTIAN RATH