Christoph Grunenberg, designierter Museumsdirektor
: Ein Mann der Gegenwart

■ 48, Kunsthistoriker, Dissertation am Courtauld-Institute, London, ist ab Oktober Direktor der Bremer Kunsthalle. Foto: Tate

Christoph Grunenberg wechselt als Nachfolger von Direktor Wulf Herzogenrath an die Bremer Kunsthalle. Das sieht von außen fast wie ein Karriereknick aus. Denn der 48-Jährige ist seit 2001 Chef der Liverpool Tate, dem erfolgreichsten Ableger der Tate Gallery außerhalb Londons. Und der Zuspruch lässt alle, die Erfolg in Zahlen messen, vor Ehrfurcht erstarren. Auf 614.000 BesucherInnen kam man 2010 – so viele locken alle Bremer Museen zusammen in einem Durchschnittsjahr.

Allerdings ist in England der Museums-Eintritt frei. „Das macht einen Riesenunterschied“, sagt Grunenberg. Und Zahlen sind ohnehin nie alles in der Kunst. Sie belegen aber, dass da einer kommt, der Kunst auch fürs große Publikum attraktiv machen kann. Und seine Entscheidung bestätigt, dass die Bremer Kunsthalle als eine Top-Adresse wahrgenommen wird. Das ist ein Verdienst Herzogenraths, der im September in Ruhestand geht. Im August wird das Museum nach zweieinhalb Jahren Umbaupause neu eröffnet. Er setze sich da „ins gemachte Nest“, sagt Grunenberg beinahe verschämt, und nennt „die Kunsthalle selbst“ den größten Anreiz für den Wechsel – in Verbindung „mit der herausragenden Sammlung“.

Klar. Denn Stationen an großen Häusern kann ein Kurator wohl anhäufen: Vor der Tate waren das Institute for Contemporary Art, Boston, Washingtons National Gallery und die Kunsthalle Basel Grunenbergs Arbeitgeber. Zweifellos eignen sich deren Bestände für tolle Ausstellungen besser als der in Bremen: So schockte er 2004 selbst abgebrühte Briten mit der ersten englischen Solo-Ausstellung von Punk-Künstler Mike Kelley, 2005 verblüffte er, indem er die psychedelische Strömung der bildenden Kunst als Gegenpart zur Musik der 60er entdecken ließ.

Aber fast einzigartig ist die Chance, eine über Jahrhunderte gewachsene Sammlung nach eigenem Verständnis neu zu ordnen und mit ihrer Präsentation auszuloten, „wie man das Alte relevant machen kann“. Eben deshalb müsse „im Herz eines Museums immer die Gegenwart stehen“, sagt er. Nur so kann’s spannend werden. Und das wird’s, garantiert. BENNO SCHIRRMEISTER