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Archiv-Artikel

Und die Verwaltungen schliefen fest

KINDERBETREUUNG Weil das Land Schleswig-Holstein die Kita-Zuständigkeit 2008 nicht offiziell an die Kommunen übertrug, fordern die jetzt Millionennachzahlungen für Gelder, die sie ausgelegt haben

Die Kommunen finden, dass sie an dem Versäumnis nicht schuld sind

„Etliche Hundert Millionen Euro“ stehen auf dem Spiel, sagt Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD). Entsprechend gehobener Stimmung traten die Vertreter der Städte, Kreise und Gemeinden Schleswig-Holsteins am Dienstag vor die Presse. Das Land schulde ihnen diese Summe, meinen die Kommunen – weil die Regierung 2008 versäumte, das Kita-Gesetz anzupassen. Nun müssten Regierung und Landtag eine Lösung vorschlagen, fordern Städteverband, Landkreis- und Gemeindetag: „Das kann nicht vom Tisch gewischt werden“, so Jörg Bülow, Geschäftsführer des Gemeindetages. CDU und FDP zeigten sich kaum verhandlungsbereit. Einigt man sich nicht, wollen die Kommunen im Dezember klagen.

Die Kommunen stützen sich auf ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Joachim Wieland, der untersucht hat, wer die Betriebskosten für Krippenplätze in Kitas zahlen muss. Das Ergebnis habe ihn selbst überrascht, so Wieland. Denn es gehe nicht nur um die unter Dreijährigen, sondern um alle Kinder. Bis Dezember 2008 regelte ein Bundesgesetz, dass Kitas Aufgabe der Kommunen sind. Danach griff Landesrecht, aber die Kieler Regierung übertrug die Aufgabe offiziell nie an die Kommunen. Daher, so das Gutachten, seien die Gemeinden, Städte und Kreise gar nicht mehr zuständig. Da sie dennoch zahlten, könnten sie Geld zurückfordern – rund 200 Millionen Euro pro Jahr. „Dass das landespolitisch nicht leicht zu lösen ist, ist allen klar“, sagte Bülow. Aber die Kommunen seien nicht schuld. Er riet dem Land, sich an den Bund zu wenden.

Ursprünglich hatten die Kommunen das Gutachten bestellt, weil sie klären wollten, ob ein Urteil aus Nordrhein-Westfalen auf den Norden übertragbar wäre: Das dortige Verfassungsgericht sagt, dass die Kosten für den Krippen-Betrieb nicht bei den Kommunen hängen bleiben dürfen. Es greift das Konnexitäts-Prinzip: Demnach muss eine untere staatliche Ebene einen Ausgleich erhalten, wenn eine höhere Ebene ihr eine Aufgabe zuweist. Gutachter Wieland lieferte mit der Ausweitung auf den gesamten Kita-Bereich mehr, als die Kommunen bestellt hatten.

Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) verwies am Dienstag auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages, das Wieland bemängelt hatte: „Unsere Überzeugung, dass keine Konnexität gegeben ist, besteht nach wie vor“, so Klug. Er wie auch Katharina Loedige von der FDP-Fraktion und Marion Herdan von der CDU betonten, dass das Land beträchtliche Summen in den Ausbau der Krippen stecke. Darum aber geht es in dem Gutachten nicht.

ESTHER GEISSLINGER