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Archiv-Artikel

MUSIK

hört auf den Sound der Stadt

TIM CASPAR BOEHME

Bei den Worten „polyfon“ und „Vokalmusik“ müssen viele Menschen unwillkürlich gähnen. Zu Unrecht! Den einen oder die andere könnte man vielleicht schon mit einer Übertragung ins Englische locken: „Vocal polyphony“ klingt gleich weniger alt, und wenn man als Herkunftsnachweis die Länder China und Vietnam hinzugibt, dürfte auf einmal das Interesse zumindest eines Teils des Publikums geweckt sein. Um genau das geht es nämlich beim Konzert am Donnerstag im Ausland in der Reihe „Music of/for Minorities“. Dort präsentiert der Franzose Laurent Jeanneau, der unter dem Namen Kink Gong veröffentlicht, seine Aufnahmen asiatischer Gesangspraktiken, die vom Aussterben bedroht sind. Ob Unterhaltungs- oder Ritualmusik, die Stimmengeflechte, die Jeanneau eingesammelt hat, klingen im besten Sinne fremdartig (Lychener Straße 60, 20 Uhr, 3 Euro).

Ebenfalls ungewöhnlich ist die Zusammensetzung des John Hollenbeck VibEnsembles, das am Freitag im Programm des Kim Fests – veranstaltet von KIM, dem Kollektiv für komponierte & improvisierte Musik – im Silverwings Club gastieren wird. Der Schlagzeuger John Hollenbeck, unter anderem Kopf der Avantgardejazzformation The Claudia Quintet, spielt an diesem Abend nämlich ausschließlich mit Vibrafonisten zusammen, ganze sechs Stück an der Zahl. Das wird tolle Obertonwolken geben! (Columbiadamm 8–10, 21 Uhr, 15/12 Euro)

Zurück zu den Stimmen: Sonntag gibt es erneut ungewöhnliche und aussterbende Gesänge zu hören, diesmal im NK, wo die kenianische Sängerin Ogoya Nengo mit ihrem Chor The Dodo Women’s Group ihren Berliner Einstand geben wird. Nengo, die in ihrer Heimat ein Star ist und seit ihrer Jugend als professionelle Sängerin arbeitet, pflegt die Tradition des Dodo-Gesangs, einer Art Nachrichtenübertragungssystem. Dass dieses Kommunikationsmittel im Schwinden begriffen ist, verwundert nicht groß: Heute nimmt man halt das Smartphone (Elsenstr. 52, 20 Uhr).

Montag dann zweimal erlesenste Echtzeitmusik im WestGermany: Neben dem Quartett Sink um den The-Necks-Pianisten Chris Abrahams ist das Trio Perlonex mit Ignaz Schick, Burkhard Beins und Jörg Maria Zeger zu erleben (Skalitzer Str. 133, 21 Uhr).

In der Rubrik „alte Männer mit Bart und Gitarre“ schließlich soll nicht auf die Konzerte von Reinhard Mey, sondern auf den US-Amerikaner Peter Walker verwiesen werden, der in schönster „American Primitive Guitar“-Tradition – dank jüngerer Bestandswahrer bisher nicht im Aussterben begriffen – den Monarch mit seinem Instrument und reichlich Fingerpicking beehren wird (Skalitzer Str. 130, 20 Uhr).