ÜBER BALL UND DIE WELT : Unbeliebter Ausstand
MARTIN KRAUSS
Strike ist nicht gerade ein Wort, das der Kickerei fremd ist, so sie denn als Football, Soccer oder Futbol bekannt ist. Hier aber heißt die Veranstaltung Fußball, und das entsprechende Wort könnte ja „Streik“ heißen. Bloß: So etwas gibt’s hier nicht. Das Geschimpfe auf die Lokführer, deren jüngster Ausstand auch den Transport von Fußballfans zu Auswärtsspielen vor logistische Aufgaben stellte, könnte ja unter anderem zeigen, dass es auch im Profifußball um Geld geht, das verteilt werden will.
Anfang des Jahres war zu lesen, dass die Bundesliga im Jahr 2013 mit 419,4 Millionen Euro den höchsten Umsatz ihrer Geschichte erzielt hatte, mehr als 9 Prozent mehr als im Vorjahr. Dass es 2014 noch ein bisschen mehr werden dürfte, kann man nach dem Erfolg bei der Weltmeisterschaft ahnen. Auch der einzige börsennotierte Fußballklub der Bundesliga, die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA, erzielte im vergangenen Geschäftsjahr einen Rekordertrag. Aber, so jammerte die Bild-Zeitung damals: „Hohe Spielergehälter drücken Gewinn“.
Wem der Gewinn eines Fußballunternehmens zusteht, ist in etwa so gewichtig wie die Frage, wem der Fußball gehört: Dem Vorstand? Aktionären? Investoren? Mitgliedern? Fans? Spielern? Letztere sind Angestellte, ein Profi in der Dritten Liga verdient im Schnitt geschätzte 5.000 Euro brutto, einige 2.500 oder noch weniger. Das läge dann unter dem Durchschnittsgehalt eines deutschen Lokführers. Je nach Perspektive mag das immer noch viel sein. Aber was den Spielern nicht ausgezahlt wird, landet woanders: bei Investoren und, falls vorhanden, Aktionären.
In Deutschland gibt es eine Profigewerkschaft, die Vereinigung der Vertragsfußballspieler. In ihr sind 1.300 Profis organisiert, sie ist vom DFB, dem Ligaverband und der DFL als Spielergewerkschaft anerkannt. Zu den Erfolgen, die die VdV stolz verkündet, gehört, dass sie es mehrfach schaffte, „willkürliche Gehaltskürzungen, Vertragsstrafen und Suspendierungen erfolgreich abzuwenden“.
Der erste Profifußballerstreik der Geschichte war für 1961 angesetzt: Die englische Professional Footballers’ Association kämpfte gegen die damalige Gehaltsobergrenze von 20 Pfund pro Woche. Das war damals mehr Geld, als Fabrikarbeiter verdienten, aber vor allem sorgte dieses Limit dafür, dass andere aus dem jeweiligen Klub mehr für sich rausholen konnten.
Fußballerstreiks sind mittlerweile gar nicht mehr so selten. Allein im spanischen Fußball kam es in den letzten drei Jahren viermal zu Streiks. Einmal ging es um die Teilhabe an den Fernsehgeldern, die die Vereine sich selbst einstecken wollten, ein anderes Mal um die Durchsetzung von Mindestlöhnen, in einem Fall brachen die Profis des Drittligisten Racing Santander ein Pokalspiel nach zwei Minuten ab, weil sie seit Monaten keine Gehälter mehr erhalten hatten vom Klubvorstand. Und ein anderes Mal solidarisierten sich die Spieler von Rayo Vallecano mit den Sozialprotesten und traten in den Streik.
Das sind alles gute Gründe für einen Arbeitskampf. Kein einziges Mal wurde auf „Millionarios“ geschimpft. Auch die Bild-Zeitung fehlte mit ihrer Warnung, das würde ja den Gewinn der jeweiligen GmbH & Co. KGaA schmälern. Und kaum zu hören waren Hinweise, die sollten gefälligst Fußball spielen, mit ihrem Arbeitskampf hätten doch die Fans nichts zu tun.
Ganz undenkbar ist das alles hierzulande nicht. Einmal, im Jahr 1974, gab es eine ernstzunehmende Streikdrohung: Während der Weltmeisterschaft vor dem Finale gegen die Niederlande drohten die Spieler um Beckenbauer und Co. mit Arbeitsverweigerung, wenn ihnen keine gute Prämie ausgezahlt würde. Die Drohung wirkte.
Der Deutsche Fußball-Bund, der in Profifußballern partout keine selbstbewussten Arbeitnehmer erblicken wollte, sondern bloß junge Kerle in kurzen Hosen, denen es eine Ehre sein sollte, für Verband und Vaterland zu kicken, wähnte sich erpresst. Erfolgreich war die Streikdrohung trotzdem. Es ist nur nicht mehr viel daraus gefolgt.