: Mehr Hilfe, als die Polizei erlaubt
Ein Arzt will gegen Polizisten klagen, die ihn bei den Protesten gegen den G-8-Gipfel festgenommen hatten – obwohl er Verletzte behandelte. Auch Ärztekammer und Sozialforum kritisieren die Polizei
VON JOHANNES RADKE
Eigentlich wollte Michael Kronawitter rund um den G-8-Gipfel in Heiligendamm Opfer von Polizeigewalt ärztlich versorgen. Am Ende fand er sich allerdings für zwei Tage im Gefängnis wieder. Jetzt will der Berliner Arzt vor Gericht gegen seine Inhaftierung klagen.
Seit der Demo mit 30.000 Besuchern am 2. Juni in Rostock war Kronawitter im Dauereinsatz. Ausgerüstet mit einer Neonweste mit dem Aufdruck „Arzt“, versorgte er verletzte Demonstranten. Vier Tage später, auf dem Weg zu einer Sitzblockade, wo ein Blockierer an einem Asthmaanfall litt, wurde er von Berliner Polizisten in Zivil angehalten. Diese wiesen uniformierte Beamte aus Bremen an, ihn in Unterbindungsgewahrsam zu nehmen. Begründung: Die Zivilpolizisten hätten den 38-Jährigen dabei beobachtet, wie er „Störer“ per Funkgerät durch die Polizeiabsperrungen geleitet hätte. Als „Tatwerkzeuge“ beschlagnahmt wurden unter anderem sein Mobiltelefon und ein handelsübliches Funkgerät, das von den anwesenden ehrenamtlichen Sanitätern zur Anforderung und Koordination ärztlicher Hilfe genutzt wurde.
Peter Grottian, Politikwissenschaftler an der Freien Universität und Mitgründer des Sozialforums, sieht den wahren Grund für die Polizeiaktion in Kronawitters politischem Engagement: Bis 2006 war Kronawitter als Pressesprecher der Antifaschistischen Linken Berlin aufgetreten. Inzwischen engagiert er sich im Berliner Sozialforum; bei der Abgeordnetenhauswahl 2006 war er Direktkandidat der WASG für Friedrichshain-Kreuzberg. In diesem Zusammenhang kritisierte der Arzt wiederholt die Berliner Polizei wegen ihrer gewaltsamen Übergriffe auf Demonstranten. „Das war wohl das wirkliche Motiv für die willkürliche Festnahme“, so Grottian.
Auch die Berliner Ärztekammer kritisierte das Verhalten der Polizei gegenüber Kronawitter scharf. „Ärztinnen und Ärzte dürfen auch bei politischen Großveranstaltungen und Demonstrationen jeglicher Art nicht daran gehindert werden, Patienten zu versorgen“, betonte Kammerpräsident Günther Jonitz.
Bis zum 8. Juni hätte Kronawitter nach dem Willen der Polizei im Gefängnis bleiben sollen. Erst durch eine Beschwerde seines Anwalts wurde der Unterbindungsgewahrsam bereits am Abend zuvor vom Landgericht Potsdam aufgehoben. „Der Vorwurf ist völlig absurd“, sagte Kronawitter der taz. „In der Gerichtsakte war lediglich zu lesen, dass zwei codierte Beamte aus Berlin behaupten, mich beim ‚Führen von Störern‘ beobachtet zu haben.“ Eine konkretere Beschreibung der ihm vorgeworfenen Straftat sei in der Akte nicht zu finden. Dennoch leitete die Staatsanwaltschaft Rostock ein Verfahren wegen Landfriedensbruch ein.
Kronawitter will in den kommenden Tagen beim Amtsgericht Berlin eine Klage wegen falscher Verdächtigung, Verfolgung Unschuldiger und übler Nachrede gegen die Berliner Zivilpolizisten einreichen. „Ich hoffe, dass durch meine Klage das Gericht die Polizei klar in ihre Schranken weist.“