: Ein Zwerg schert aus
Die rot-grüne Koalition in Bremen regiert noch nicht, da gibt es schon die erste Krise: Der designierte Wirtschafts- und Noch- Finanzsenator Ulrich Nußbaum tritt zurück. Er will nicht, wie von Parteichef Uwe Beckmeyer gefordert, in die SPD eintreten
VON JAN ZIER
Ulrich Nußbaum wird nicht Wirtschafts- und Justizsenator der rot-grünen Regierung in Bremen – weil er parteilos bleiben will. Wer dieses Amt jetzt übernimmt, ist unklar. Im Gespräch ist Bremerhavens Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD).
Ein „einzelner Funktionär“, sagte der amtierende Finanzsenator Nußbaum gestern, habe ihn gedrängt, jetzt doch in die SPD einzutreten. Dieser Funktionär heißt Uwe Beckmayer, kommt wie Nußbaum aus Bremerhaven und ist Landesvorsitzender der SPD. Am vergangenen Samstag reichte er Nußbaum einen verschlossenen Umschlag über den Tisch, darin ein Beitrittsformular der SPD, dazu ein Brief, datierend vom 7. Juni, adressiert an den „lieben Ulrich“. Die Partei erwarte in der jetzigen Situation, dass Nußbaum nicht länger parteilos bleibe, steht darin zu lesen. Das liege „ja auch auf der Hand“, verteidigte sich Beckmeyer gestern. „Es wäre jetzt an der Zeit gewesen, auch Mitglied der Partei zu werden.“
Die Parteibasis sieht das anders: Der SPD-Unterbezirk in Bremerhaven rief Nußbaum Ende Mai nahezu einstimmig zu „ihrem“ künftigen Senator aus. Als Parteilosen. Beckmeyer habe diese Nominierung verhindern wollen, sagt Nußbaum – gemeinsam mit Schulz. „Doch die SPD-Basis hat sich nicht beirren lassen.“ Und sich an seinem fehlenden Parteibuch nicht gestört. Ebenso wenig wie Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD). Der, so Nußbaum, habe das Schreiben seines Parteioberen nicht einmal gekannt. Die Frage der Parteimitgliedschaft sei für ihn „nachrangig“ gewesen, sagte Böhrnsen.
Beckmeyer verteidigte sich umgehend gegen „diese ganzen Gerüchte und Anwürfe“, hinter denen „überhaupt nichts zu vermuten“ sei. „Ich habe ihn nicht vergrault“, sagte Beckmeyer, „und das war auch nicht meine Absicht“. Er bedauere Nußbaums Rückzug nämlich sehr. Und habe noch gestern versucht, mit Nußbaum zu sprechen, „das alles wieder geradezubiegen“. Seine Post will er denn auch lediglich als Einladung verstanden wissen, als „Anstoß“. „Aber er hat das wohl in den falschen Hals gekriegt.“ Nußbaum hätte „bei mir nachfragen sollen“, konterte der Parteichef dessen Vorwürfe. „Das hat er aber nicht getan.“
Der 50 Jahre alte Rechts- und Politikwissenschaftler Nußbaum sprach demgegenüber vom „stillem Zwang“ der Parteifunktionäre, nannte Beckmayer einen Wiederholungstäter. Dies sei keine Basis, vier Jahre weiter zu amtieren. Die Debatte um seine Person würde „dem Amt schaden“, sagte Nußbaum, „die SPD beschädigen“ – und darüber hinaus auch seine „eigene Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit“. Zugleich betonte er, „immer zu 200 Prozent loyal“ zur SPD gewesen zu sein. Dass er mit Böhrnsen keinerlei Dissens habe. Dass er sich auf das Amt gefreut hätte. Dass er eine Rückkehr in die Politik nicht ausschließe.
In der CDU vermutet man weniger den „Erpressungsversuch“ der SPD – als vielmehr den Inhalt des soeben ausgehandelten Koalitionsvertrages als Grund für Nußbaums Rückzug. Nußbaum habe die notwendige Konsequenz gezogen, sagte Noch-Innensenator Thomas Röwekamp (CDU). Er habe erkannt, dass Rot-Grün sich von einer soliden Finanzpolitik verabschiedet habe. Als Wirtschaftssenator jedoch, so Röwekamp, hätte Nußbaum „nichts zu sagen, nichts zu entscheiden“ gehabt, wäre „ein Frühstücksdirektor“ gewesen.
Nußbaum unterstütze diese These insofern, als er Beckmeyer bezichtigte, in den Koalitionsverhandlungen nicht sehr positiv für Bremerhaven verhandelt zu haben. Er hätte sich ein stärkeres Engagement Beckmeyers für den Strukturwandel in der Seestadt gewünscht, so Nußbaum.
Böhrnsen, der Nußbaum noch am Montag zum Senator ausgerufen hatte, zeigte sich überrascht von dessen Rückzug – und äußerte deutliche Kritik: „Dieser Schritt ist für mich unverständlich und schwer nachvollziehbar.“ Wen er nun nominieren wird, ließ Böhrnsen ausdrücklich offen. Fest steht nur, dass der künftige Senator aus Bremerhaven kommen soll. Ulrich Nußbaum wird dorthin zurückkehren– in die Lebensmittelindustrie, in der er schon arbeitete, als Henning Scherf ihn 2003 in den Senat holte.