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Archiv-Artikel

Korrekt korrupt

FIFA I Die Ethikkommission des Weltfußballverbands stellt etliche Korruptionsversuche bei der WM-Vergabe an Russland und Katar fest. Sie hält diese aber für nicht so erheblich, dass man die Wahl infrage stellen müsste

Fifa-Chefermittler Garcia will sich indes gegen die Auswertung seiner Berichte wehren

VON JOHANNES KOPP

Korruptionsvorwürfe gegen die Fifa gab es zuhauf nach der Vergabe der WM 2018 und 2022 an Russland und Katar. Die Ethikkommission hat nun nach mehrjähriger Arbeit und Sichtung von über 200.000 Seiten Ermittlungsmaterial dem Fußball-Weltverband eine Art Persilschein ausgestellt.

Zwar wurden viele Verstöße gegen moralische wie juristische Regularien festgestellt. Kein Vergehen wurde allerdings als so gravierend eingestuft, dass Sanktionen zu fällen wären, heißt es im am Donnerstag veröffentlichten 42-seitigen Bericht der Recht sprechenden Ethikkammer unter dem Vorsitz des deutschen Juristen Hans-Joachim Eckert, der die Untersuchungen von Chefermittler Michael Garcia ausgewertet hatte.

Das Verfahren der WM-Vergabe 2018 und 2022 wird gar als „gut durchdacht, robust und professionell“ gelobt. „Insbesondere waren die Auswirkungen dieser Ereignisse auf das Bieterverfahren als Ganzes weit davon entfernt, jede Schwelle, die eine Rückkehr ins Bieterverfahren, geschweige denn Neuausschreibung erfordern würde, zu überschreiten“, heißt es. Es wurde indes nicht näher definiert, welche Kriterien für eine solche Neuausschreibung hätten erfüllt werden müssen. Klar ist, dass der Fifa ohne justiziable handfeste Korruptionsbeweise immense Regressforderungen ins Haus gestanden hätten, wenn man etwa die Vergabe der WM an Katar annulliert hätte.

Die Fifa zeigte sich in einer Stellungnahme erfreut über den Eckert-Bericht. Man begrüße es, dass „der Fall bis zu einem gewissen Grad abgeschlossen ist“, und freue sich, die Vorbereitungen für Russland 2018 und Katar 2022 fortzusetzen. Unterdessen deutet sich ein Zerwürfnis innerhalb der Fifa an. Chefermittler Garcia erklärte am Donnerstag, sich gegen die Auswertung seiner Untersuchungen wehren zu wollen. Er bemängelte „zahlreiche unvollständige und fehlerhafte Darstellungen der Tatsachen und Schlussfolgerungen“. Im Eckert-Bericht vermisst man in der Tat etwa die Offenlegung von bekannten zwielichtigen Verbindungen. Dass etwa das zyprische Fifa-Exko-Mitglied Marios Lefkaritis kurz nach der WM-Vergabe Land im Wert von knapp 32 Millionen Euro an einen katarischen Staatsfonds veräußerte, wird nicht erwähnt.

Dabei sind schon die Unregelmäßigkeiten, die Eckert auflistet, keine Bagatelldelikte. So hebt er etwa „mehrere unterschiedliche unangemessene Zahlungen“ des früheren katarischen Fifa-Exekutivkomitee-Mitglieds Mohamed bin Hammam an hochrangige Funktionäre des afrikanischen Fußballverbands hervor. Außerdem eine Zahlung von 1,2 Millionen Dollar an das frühere Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees Jack Warner. Die Indizien würden aber darauf hinweisen, dass nicht Stimmen für Katar gekauft werden sollten, sondern Unterstützung für bin Hammams Bewerbung um den Fifa-Chefposten.

Bemerkenswert ist, dass die Ethikkommission auch den englischen Fußballverband (FA), der am lautstärksten gegen die WM-Vergabe an Russland und Katar protestiert hatte, belastet. Wie etliche andere Kandidaten hätten auch die Briten versucht, Jack Warner mit unmoralischen Angeboten zu beeinflussen. Ein direkter Zusammenhang mit den WM-Bewerbungen war aber nie zu beweisen, oder die Versuche hatten nachweislich keinen Einfluss auf das Stimmverhalten.

Auch der WM-Gastgeber von 2018 wurde durch die Ethikkommission von Bestechungsvorwürfen weitgehend entlastet. Es gebe keine ausreichenden Belege für das Fehlverhalten des russischen Bewerberteams, resümierte Eckert. Allerdings wird bemängelt, die Russen hätten „nur eine begrenzte Menge von Dokumenten zugänglich“ gemacht. Sie entschuldigten das damit, dass die geleasten Computer, die während der WM-Kampagne benutzt worden seien, später vernichtet wurden.

Zumindest merkte Eckert an, Untersuchungen gegen Einzelpersonen seien nicht ausgeschlossen. Reformempfehlungen fügte er auch bei. Er plädiert für die gerade von den Fifa-Funktionären abgelehnte Beschränkung der Amtszeit und spricht sich für eine Stärkung der Evaluierungsberichte aus, bei denen Russland und Katar jeweils die letzten Plätze belegt hatten.

Fifa-Chef Sepp Blatter wird übrigens für die Einleitung des „Demokratisierungsprozesses“ gelobt. Und er wird vom Verdacht der Bestechlichkeit ausdrücklich freigesprochen.