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Archiv-Artikel

Mehr als nur Hunde

AUSSTELLUNG Das Focke-Museum zeigt Elliott Erwitt und setzt damit eine Reihe fort, in der renommierte, indes unbremische Fotografen im Landesmuseum zu sehen sind

Viele dieser Fotos könnten heute so nicht mehr entstehen, gedruckt oder gar ausgestellt werden. Sie stammen aus einer Zeit, in der das Recht am eigenen Bild gerne mal für ein gutes Foto ignoriert wurde

VON JAN ZIER

Elliott Erwitt? Ja, das ist der mit den Hunden. Legendär etwa seine Serie über Damenschuhe, die einst im New York Times Sunday Magazine erschien – und aus Hundeperspektive aufgenommen ist. Ikonen der Tierfotografie sind jene Porträts, auf denen Hund und Halter zu einer Einheit verschmelzen. Immer wieder publiziert ist auch ein Schwarz-Weiß-Bild, auf dem Erwitts eigener Hund vor dem Brandenburger Tor an eine Laterne pinkelt. „An Hunden mag ich ihre menschlichen Eigenschaften“, hat Erwitt in einem Interview mal gesagt.

Nun also sind 220 von Erwitts Fotografien im Focke-Museum zu sehen, erstmals werden sie in Bremen ausgestellt. „Hunde und andere Zeitgenossen“ heißt die Werkschau – die zum Glück jedoch darauf verzichtet, nur jenes zu zeigen, was man von dem bald 83-jährigen Fotografen ja am ehesten kennt: seine niemals kitschigen, dabei durch viel Humor und eine gewisse Melancholie gezeichneten Variationen über Hunde, die in aller Regel viel über ihre BesitzerInnen aussagen. Und über die Welt, in der diese leben.

Doch die Tiere füllen nur einen der beide Säle, die das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte einmal im Jahr einem international renommierten, indes völlig unbremischen Fotografen widmet. Bisher waren in dieser Reihe Andreas Feininger, Gisèle Freund und Robert Lebeck ausgestellt. Nun also Elliott Erwitt – von dem in Bremen auch so genannte „Vintage Prints“ zu sehen sind, also kleinformatige, ebenfalls alle in schwarz-weiß gehaltene Arbeitsabzüge, die kurz nach der Aufnahme entstanden sind. Sie reichen vom New York der Fünfziger, den amerikanischen Südstaaten der Sechziger bis hin zur Côte d‘Azur der Siebzigerjahre (und sind frei von Hunden).

Sie dokumentieren, was Erwitt, nein, eben gerade nicht inszeniert, sondern schlicht beobachtet hat, oftmals auf der Straße oder am Stand. Einige unter ihnen erzählen eindringlich von sozialen Problemen, von amerikanischem Alltagsrassismus. Und doch: Viele dieser Fotos könnten so heutzutage nicht mehr geschossen oder gar gedruckt und ausgestellt werden. Sie stammen aus einer Zeit, in der Fotografen – das gilt auch für Robert Lebeck – das Recht am eigenen Bild offenbar vielfach schlicht ignorierten, das Persönlichkeitsrecht zugunsten eines guten Bildes also gern mal hintan gestellt wurde. Heute freut man sich darüber. Und ist doch zu Recht sensibler.

„Ich wurde zu einem Voyeur“, hat Erwitt über seine Zeit im Los Angeles der frühen Vierzigerjahre mal gesagt. Und das darf man auch mal ganz wörtlich nehmen: Ganz ungeniert etwa lichtete er immer wieder die Barbusigen von St. Tropez ab. „Nackte – oder Menschen mit sehr wenig Kleidung, zum Beispiel am Strand – sind verletzlich. Damit sind sie gute Motive“, sagte er dazu mal in einem Interview.

Wie andere Vertreter seiner Generation auch ist Elliott Erwitt im Wesentlichen ein talentierter Autodidakt. 1928 geboren als Sohn russischer Emigranten – der Vater war Uhren-Kaufmann, die Mutter Kellnerin – wächst er zunächst in Mailand, dann in Los Angeles auf, im Umfeld Hollywoods. Kurz nach dem 2. Weltkrieg trifft er in New York den gelegentlich als „Patriarch der Fotografie“ bezeichneten Edward Steichen – und macht fortan Karriere. Er lernt Robert Capa kennen, der ihn wiederum einlädt, für die renommierte Fotoagentur Magnum Photos zu arbeiten. Zwischen 1966 und 1969 ist er deren Präsident. Später dreht er auch einige Filme, Satire-Sendungen – drei von ihnen sind auch in der Ausstellung zu sehen, „Good Nudes“ etwa, der von einer Wahl zu Mr. und Mrs. Nude in einem Nudistencamp erzählt, oder „Red, White and Bluegrass“, der von der Ausbildung einer Cheerleader-Gruppe berichtet.

Als Fotograf arbeitet Elliott Erwitt übrigens noch immer.

■ bis 30. Oktober, Focke-Museum