Biermann im Bundestag

WUNSCHKONZERT Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte Wolf Biermann eigentlich „zum Singen eingeladen“. Doch der Liedermacher hielt sich für einen Drachentöter und nutzte die Bühne zuvor zur Abrechnung mit der Linken

■ betr.: „Publikumsbeschimpfung“, taz vom 8. 11. 14

Norbert Lammert (CDU) wusste wohl sehr genau, was er tat, als er Wolf Biermann zum Mauerfall-Großgedenken in sein „Hohes Haus“ lockte. Er weiß natürlich, dass die Linke zahllose Gegner hat: zuvörderst Sozialdemokraten jeglicher Richtung und Farbe. Aber auch Kapitalisten, Nazis und ihre Beschützer, Konservative und deren Presse, Halbchristen mit dem C im Namen, Herz-Jesu-Sozialisten, Soldaten und Geheimdienste, verbohrte Gewerkschafter, Bundespräsidenten usw. usf.

Vor allem aber weiß er, dass die Linke nur einen Todfeind hat: Das ist der Linke gleich nebenan.

Deshalb Biermann. Seine volle Breitseite gegen die Linke half dabei zu vergessen, wie laut- und schamlos Herrn Lammerts Partei die gleichnamigen Blockflöten aus der DDR in sich aufgesogen hat, obwohl die keinen Deut besser waren als die Einheitsfrontfreunde der SED. Empfindlicher konnte man die unpassende bis verdächtige Sorte frei gewählter Abgeordneter nicht treffen.

Chapeau, Herr Präsident. Sie haben sich um die Sauberkeit des Hohen Hauses verdient gemacht. Man hat gefälligst keine Linken in den Bundestag zu wählen.

ANDREAS NITZE, Monheim

■ betr.: „Darf Wolf Biermann so auftreten?“, taz vom 11. 11. 14

Ach Biermann. Einst von der Springerpresse als Ulbrichts bestes Pferd im Bitterfelder Stall geschmäht, verbringt er auf dem Gnadenhof der Konservativen seine alten Tage. Bei aller berechtigten Kritik an den unbelehrbaren Fossilien innerhalb der Linken: kein Wort Biermanns zu den SED-Altlasten in CDU/SPD/FDP. Dann würde sein Konstrukt ja auch zusammenfallen. Aktuelle Themen interessieren ihn schon längst nicht mehr, er lebt saturiert in der Nische des einstigen Linken, der nach rechts konvertiert ist – und bleibt doch nur Pausenclown. Die Zeit ist über Biermann hinweggegangen. Dass er so geworden ist, daran haben die Betonköpfe, die heute wie damals die DDR als Arbeiter-und-Bauern-Staat verherrlichen, allerdings einen gehörigen Anteil. PHILIPPE RESSING, Stuttgart

■ betr.: „Publikumsbeschimpfung“, taz vom 8. 11. 14

Ich hätte Wolf Biermann für intelligenter und weiser gehalten, denn sein sogenanntes Linke-Bashing im Deutschen Bundestag war übertrieben und dem geschichtlichen Ereignis völlig unangemessen. Außerdem wird Herr Biermann doch nur von der Bundesregierung instrumentalisiert und politisch schändlich benutzt, um Stimmung gegen einen möglichen Ministerpräsidenten Ramelow in Thüringen zu machen. Die Feier zum Mauerfall im Deutschen Bundestag wurde ad absurdum geführt und für politischen Kleinkrieg missbraucht. Und die SPD und die Grünen machen dabei mit. Armes Deutschland. Von der CDU habe ich natürlich nichts anderes erwartet! THOMAS HENSCHKE, Berlin

■ betr.: „Publikumsbeschimpfung“, taz vom 8. 11. 14

Wieso ist der „Drachentöter“ eitel? Wieso ist seine kurze Ansprache an die Vertreter der Linkspartei im Deutschen Bundestag ein „unpersönlicher Brachialauftritt“? Diese Menschen haben ihm sein Leben genommen. Ein Leben, dessen Motivation und Ziel es war, durch die Kunst eine Unrechtsgesellschaft in eine menschliche zu verwandeln. In der BRD waren seine Lieder bloße Unterhaltung, ohne Nachhall; in der DDR waren sie Nahrung. Wolf Biermann hat diese PolitikerInnen, die da „links“ von ihm im Bundestag saßen, als reaktionär bezeichnet. Und damit hatte und hat er recht. KARL EICHINGER, Erkrath

■ betr.: „Publikumsbeschimpfung“, taz vom 8. 11. 14

Die Lebensverhältnisse in den Gebieten der „ehemaligen DDR“ haben sich derart verbessert, dass Millionen Menschen dort nicht mehr wohnen konnten und können, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen; solange das so ist, wird eine Partei wie Die Linke wohl gebraucht. Ob Franz Josef Degenhardts roter Sangesbruder Biermann auch wie gewohnt kompromisslos erklärt, was er mit der höchsten Repräsentantin des ihm so sehr verhassten SED-Regimes privat und freundschaftlich zu schaffen hatte? Das waren noch Zeiten, als ein Franz Josef Strauß, der die auch ihm verhasste DDR mit Milliardenkrediten als kapitalistisches Bollwerk gegen Billigkonkurrenz über Gebühr am Leben hielt, auf einer Chinareise in der Hauptstadt des Reichs der Mitte in einer legendären Rede gesagt haben soll: „Ich bin ein Pekinese!“

NORBERT F. SCHAAF, Koblenz

■ betr.: „Publikumsbeschimpfung“, taz vom 8. 11. 14

Wolf Biermann war so frei und hat sich auch im Hohen Haus unserer parlamentarischen Demokratie weder verbiegen noch das Wort nehmen lassen. Das ist nicht regelkonform, aber genauso wenig überraschend gewesen. Dafür hat der Liedermacher mit DDR-Vergangenheit ausgesprochen prägnant den Istzustand des Kerns der Linksfraktion im Deutschen Bundestag beschrieben.

IRA BARTSCH, Lichtenau-Herbram

■ betr.: „Zentrum für politische Hässlichkeit“, taz.de vom 7. 11. 14

Sind die Tage der Kotzbrocken eigentlich langsam mal beendet? Gauck, Nuhr, Biermann, und die taz interviewt noch Joschka Fischer. Kein Wunder, dass im November die Suizidquote steigt. AGE KRÜGER, taz.de

■ betr.: „Es trifft die Linke ins Herz“, taz.de vom 10. 11. 14

Der arme Herr Biermann hat keine Kraft mehr. Soso. Also stellt er sich nach erbrachter Lieferung, nach erbrachtem Gefallen an Lammert und seine Parteifreunde strahlend hin und schüttelt die Hände von Merkel, Gabriel und Co. Er kann einem ja sooo leidtun, ich heule gleich. Und das ist noch nicht mal gelogen.

Er kann einem tatsächlich leidtun. Weil er nicht merkt, wie er sich von der CDU instrumentalisieren lässt. Dieser angeblich Antiautoritäre hilft der Regierung die sowieso schon kleine Opposition zu bekämpfen. Wie erbärmlich. Erinnert mich an Gauck irgendwie, weiß gerade nicht, warum …

ERWIN WOLF, taz.de

■ betr.: „Es trifft die Linke ins Herz“, taz.de vom 10. 11. 14

Ich nehme halbwegs erstaunt zur Kenntnis, dass Biermann nicht der einzige Mitmensch mit einem gewaltigen Sprung in der Zeit-und-Raum-Schüssel ist. Alles, was aktuell sofortiges Handeln der Regierenden und langfristige Entscheidungen erfordert, wurde an diesem Festtag mit jedem Wort verschwiegen. Nur dazu bedurfte es Biermanns Auftritt. Dieses „kunstvolle“ Verdrängen der gegenwärtigen Erfordernisse allein ist es, was das Wort „reaktionär“ hier zutreffend umschreiben kann.

RAINER B., taz.de