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Archiv-Artikel

Krieg der Steine

EXTREME Bullen und Nazis haben es verdient. Aber Rechte am Boden tritt er nicht. Das sind seine Regeln. Die Polizei hat ihn schon zu Hause besucht. Trotzdem weiß sie wenig über das, was Politiker linke Gewalt nennen

Mehr linke Gewalt

■  Die Politik: „In ihrer menschenverachtenden Art schenken sich Links- und Rechtsautonome nichts“, behauptet Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Er verteidigt seinen niedersächsischen Kollegen, Innenminister Uwe Schünemann (CDU), der vor einem neuen Linksterrorismus warnt. „Ich denke, wenn der Trend so anhält, muss man wohl die Besorgnis haben, dass er Recht hat.“

■  Die Szene: Der Staatsschutz unterscheidet zwischen Straßengewalt – also dem Schwarzen Block – und klandestinen militanten Gruppen. Überschneidungen gebe es kaum. Im Schwarzen Block seien meist anpolitisierte junge Männer zwischen 16 und Ende 20, die klandestinen gelten als älter und theorieaffiner. Die Autobrände werden linken Einzeltätern zugeschrieben und unpolitischen, erlebnisorientierten Jugendlichen.

■  Die Polizei: 2009 sank bundesweit die Zahl linker Straf- und Gewalttaten. 2010 änderte sich der Trend. Die Polizei zählte in den ersten drei Monaten schon 1.626 linke Straftaten – ein Anstieg um mehr als 60 Prozent. Die Zahl der Gewalttaten stieg von 175 auf 305.

VON ASTRID GEISLER UND KONRAD LITSCHKO

Das erste Ziel steht in Berlin-Kreuzberg, inmitten von Altbauten, neu und strahlend weiß. Luxusapartments mit Fahrstühlen für Autos und persönlichen Parkplätzen auf der Loggia. In dieser Nacht im Februar 2011 werfen Vermummte Steine gegen die Fassade. Glas springt, Farbe rinnt an einem Fenster herunter. Der Wachmann sieht nur dunkle Gestalten verschwinden, als er seinen Container verlässt. So wird er das später erzählen.

Die Ziele sind quer über die Stadt verteilt. Das letzte ist eine Sparkasse. Maskierte zerstören Kontoauszugsdrucker und einen Geldautomaten. An die Wand sprühen sie krakelige, rote Buchstaben: „L14 bleibt“. Als Spezialkräfte der Polizei das besetzte Eckhaus mit der Nummer 14 in der Berliner Liebigstraße erklimmen, um es zu räumen, geht die Nacht der Anschläge zu Ende.

Irgendwo ist auch Fabian Hofmann unterwegs. Er wird das nachher fast beiläufig erwähnen. Keine Details. Er heißt auch nicht Hofmann. Sonst könnte er ja gleich ins Polizeipräsidium gehen und sich zu Stefan Redlich durchfragen, Abteilung Staatsschutz, um zu gestehen. Hofmann ist Autonomer und Autonome sind vorsichtig. Das macht die Arbeit des Kriminaloberrats Redlich so schwierig.

Bevor Fabian Hofmann loszieht, kontrolliert er sein Outfit: Lugt noch etwas Buntes heraus? Steckt ein Button an der Jacke? Könnte ihn etwas verraten?

Neun Pressemitteilungen schreibt die Berliner Polizei nach dieser Februarnacht. Entglaste Banken, angezündete Autos. Die Krawalle wegen der Räumung der „Liebig 14“ sind nur der Anfang. Allein in der Hauptstadt gingen seit Jahresanfang mehr als 160 Autos in Flammen auf. In Rostock brannten Bundeswehrlaster. 1.626 linke Straftaten zählte die Polizei deutschlandweit in den ersten drei Monaten diesen Jahres – und sechzig Prozent mehr Gewalttaten als im ersten Quartal 2010. Der niedersächsische Innenminister von der CDU, Uwe Schünemann, wähnt die Szene an der „Schwelle zu einem neuen Linksterrorismus“. Bei der RAF habe es auch mit Brandanschlägen angefangen.

Die Minister, ihre Verfassungsschützer, Staatsschützer und Polizisten haben ein Problem: Fast keiner der linken Täter wird gefasst, geschweige denn verurteilt. Die militante linksradikale Szene in Deutschland ist eine Szene ohne Gesichter. Sie hat keine prominenten Wortführer, veranstaltet keine Parteitage. Wenn Fabian Hofmann bei Demonstrationen im Schwarzen Block läuft, wird er zu einem Kopf unterm Kapuzenpulli. Basecaps, Schals, Sonnenbrillen. Nur selten kann die Polizei beweisen, wer eine Flasche oder einen Stein geworfen hat.

Bei Fabian Hofmann begann es mit einer Demonstration gegen rechts. Er erinnert sich genau: die Polizei fährt Wasserwerfer auf, Linke zünden Mülltonnen an. „Da hab ich meinen ersten Pflasterstein in die Jacke gesteckt“, sagt er. „Und später auch die erste Flasche geworfen.“ Er war achtzehn.

Heute, mit 25, sagt Hofmann: „Militanz ist kein Hobby, sondern eine Haltung.“

Es ist Freitag, 19 Uhr, ein warmer Junitag geht zu Ende, der Behördenfeierabend hat längst begonnen. Aber Stefan Redlich, Dezernatsleiter des Berliner Staatsschutzes, hat sich Überstunden verordnet. Er trägt ein grünes Leibchen über dem hellroten Polohemd, vor dem Bauch eine schwarze Hüfttasche. Redlich ist seit vier Jahren zuständig für rechten und linken Extremismus in der Hauptstadt.

Der Ermittler schaut hoch: Fliegen jetzt Steine?

Mindestens einmal im Monat mischt sich der Kriminaloberrat auf einer Demonstration unter die Leute. Redlich will selbst sehen und hören, mit wem er es zu tun hat.

Im Berliner Bezirk Mitte beginnt eine NPD-Kundgebung. Redlich steht vor einem Mannschaftswagen der Polizei. Er beobachtet, wie sich die linken Gegendemonstranten verhalten. Dunkle Shirts, viele in kurzen Hosen, schwarz oder khaki.

Stefan Redlich schaut nach oben auf eine Dachterrasse. Von dort klatschen Wasserbomben auf die Rechtsextremen herunter. Redlich hält Ausschau: Fliegen jetzt Farbbeutel? Steine?

Sein Bild der Szene ist klar, aber es besteht aus Panorama-Ansichten. Er kann referieren, was die Autonomen gerade debattieren, für welche militanten Aktionen sie sich rühmen, für welche nicht. Ein eloquenter Kriminalist. Nur wenn es um Fahndungserfolge geht, wird der 44-Jährige wortkarg.

Was ihm fehlt, sind die Nahaufnahmen. Die Lage ist paradox. Seine Beamten kennen Menschen wie Fabian Hofmann. Doch sie bekommen sie nicht zu fassen. Redlich freut sich schon, wenn sie es schaffen, einen mutmaßlichen Straftäter aus der linken Szene vor Gericht zu bringen. „Auch wenn letztlich niemand verurteilt wird, lassen solche Prozesse die Szene nicht unbeeindruckt“, sagt er. Die Fahndung nach linken Gewalttätern – sie macht offenbar bescheiden.

Die Sicherheitsbehörden wissen wenig über die militante linke Szene, selbst ihre Struktur scheint nur in groben Zügen bekannt. Sie kennen zwar Namen von Autonomen, die ihnen als gewalttätig oder gewaltbereit aufgefallen sind. Mehr als 700 Profile von Aktivisten aus ganz Deutschland hat der Verfassungsschutz in einer neuen Datei über linke Gewalttäter gesammelt. Doch was die zusätzliche Datei bisher gebracht hat, können auch jene nicht erklären, die ihren Inhalt kennen.

Gut möglich, dass Stefan Redlich bei einer Demo schon einmal neben Fabian Hofmann hergelaufen ist. Vielleicht hat der Staatsschützer seinen Namen sogar schon einmal in einer Akte gelesen. Denn die Polizei hatte Hofmann im Visier. Er stand wegen eines Flaschenwurfs vor Gericht. Polizisten belasteten ihn, es sah nicht gut aus. Hofmann verweigerte die Aussage und wurde freigesprochen, mangels Beweisen. Sein bislang einziger Prozess, erzählt er. Obwohl er seit sieben Jahren gewalttätig ist.

Abends wird der Kaufmann zum Autonomen

Ein Frühsommerabend, warmer Regen prasselt vom Himmel. Als Treffpunkt hat Fabian Hofmann ein linkes Café vorgeschlagen, in einem jener Kieze, die als alternativ galten, bis sie von gut verdienenden Familien übernommen wurden. Hofmann ist ein unauffälliger Typ. Legerer Look, alles schwarz, wie die meisten Gäste. Man kennt und grüßt sich.

Tagsüber arbeitet Hofmann als Bürokaufmann, 40-Stunden-Woche: „Es geht nicht immer nach dem Wunschprinzip.“

Fabian Hofmanns zweites, sein eigentliches Leben, beginnt nach Feierabend in der Antifa-Gruppe. Wenn die Szene zur Demo ruft, wird er zu einem von denen, die man später im Fernsehen sieht. Im Schwarzen Block.

Hofmann hat Steine und Flaschen auf Polizisten geworfen. Er hat rechtsextreme Demonstranten attackiert. Und als im Februar das Haus in der Berliner Liebigstraße geräumt wurde, folgte auch er dem Aufruf, die Räumung „zum Desaster“ zu machen. Gute, „zielgenaue“ Aktionen seien das gewesen, sagt er. Mit hohem Schaden.

Seine Freundin ist mitgekommen. Sie hätte gern einen Latte macchiato. Latte macchiato! Kannst du nicht was Vernünftiges trinken, fragt er. Einer dieser Scherze, die sehr ernst gemeint sind. Latte macchiato – ausgerechnet in einem Viertel, wo Mütter den Nachwuchs gerne im Tausend-Euro-Kinderwagen spazieren fahren, mit Latte-to-go-Halter an der Lenkstange.

Gerade hat er die farbige Skizze eines Spielplatzgeländes von der Hauswand gerissen, wetterfest in Folie eingeschweißt. Die Verwaltung kündigt den Anwohnern die „Aufwertung“ des Spielplatzes an. Das macht ihn wütend: „Sogar die Spielplätze werden hier jetzt schon aufgewertet!“ Die Reichen rücken vor, die Schwachen sollen weg. Gentrifizierung.

Es sind Dinge, über die sich viele im Kiez aufregen. Aber Fabian Hofmann liest solche Zettel wie Aufforderungen zum Widerstand. Notfalls mit Gewalt.

Wenn Hofmann über Kapitalismus und Ausbeutung redet, könnte da auch ein Nachwuchsmitglied der Linkspartei sitzen. Es sind ähnliche Motive, die ihn antreiben. Mitmachen, etwas bewegen. Nur glaubt Fabian Hofmann nicht an Parteipolitik.

Die Kluft zwischen Armen und Reichen werde immer größer in Deutschland. Da sei es wichtig, auch mal „seine Wut zu artikulieren“. So denken gar nicht wenige junge Leute. Aber die meisten von ihnen artikulieren ihre Wut, indem sie Schilder auf Demos hochhalten oder ironische Protestgruppen auf Facebook gründen – wenn überhaupt. „Wollen wir weiter nur Tafeln und Umsonstläden aufziehen oder die Verhältnisse von Grund auf ändern“, fragt Fabian Hofmann. Er hat seine Antwort gefunden. Er glaubt, dass er so mehr bewegt.

Und er spürt das Adrenalin, wenn die ersten Flaschen fliegen.

Er würde das wahrscheinlich selbst nie so sagen, aber manchmal muss sich Fabian Hofmann wie der Held in einem Hollywoodfilm fühlen.

G-8-Gipfel, Rostock, 2007. Mit Hunderten anderen treibt er die Polizisten vor sich her.

Da ist er, unter Autonomen, die sich vor niemandem rechtfertigen müssen, nicht vor Parteichefs oder Vereinsvorständen – nur vor sich selbst. Freiheit. Und da sind die Schurken, die sie bekämpfen: Die Reichen. Die Nazis. Die Bullen. Der ganze Staat. Repression.

Gut gegen Böse. Er ist der Gute. Er ist für die gerechte Sache. Gegen das, was er „strukturelle Gewalt“ nennt. Dagegen, dass der Staat Waffen verkauft, Menschen abschiebt, sie einsperrt.

Das ist seine Motivation und seine Rechtfertigung. Seine eigene Gewalt nennt er Militanz.

„Ich geh nicht nur auf Demos, weil mich das geil macht und ich das brauche“, sagt Fabian Hofmann. „Militanz ist nicht geil. Eher unangenehmes, notwendiges Beiwerk.“ Manche Themen, sagt er, kämen eben erst durch Krawalle auf die Agenda.

Einmal standen Beamte bei ihm vor der Tür: Eine Gefährderansprache, so nennt die Polizei Hausbesuche bei Aktivisten kurz vor Demos. Wieder so ein Filmmoment.

Er wirkt nicht, als hätte ihn das eingeschüchtert. Vielleicht, weil er genau so wirken will. Vielleicht aber auch, weil er weiß, wie wenig die Staatsschützer wissen.

Im Café sitzt in diesem Moment ein umgänglicher Typ, der über sich selbst lachen kann.

Hofmann ist kein großer Theoretiker, keiner der linke Vordenker zitiert. Er folgt den eigenen, vagen politischen Maximen.

Die Regeln setzt sich jeder Autonome selbst. Fabian Hofmann fasst seine so zusammen: Rechtsextreme und Polizisten haben’s verdient. Aber auf einen Neonazi, der am Boden liegt, prügelt man nicht mehr ein. „Bei Autonomen gibt es keinen Bordsteinkick.“ Man greift auch nur Polizisten an, die Helm und Schutzkleidung tragen. „Wenn ich eine Flasche auf Polizeibeamte werfe, muss ich mich hinterher fragen: War das notwendig? War das gerechtfertigt?“

Eine neue RAF? Nein, nein, sagt der Verfassungsschutz

Fabian Hofmann sagt: „Ich greife ja nicht den Menschen an, sondern die Uniform, die für die Systemgewalt steht.“ Er will niemanden töten.

Wie hunderte andere gewaltbereite Autonome. Bis zu 6.200 sollen es deutschlandweit sein, sagt der Verfassungsschutz. Rund 950 in der Hauptstadt.

In den vergangenen Monaten sind sie wieder sichtbarer geworden. Brandsätze flogen auf eine Polizeistation. Angezündete Kabel legten den Nahverkehr lahm. Immer wieder brennen Autos.

Seit die Zahl linker Straftaten steigt, streiten sich Innenpolitiker, wie gefährlich die gewaltbereite linke Szene ist. Einige ziehen diese RAF-Vergleiche.

Artur Hertwig hält das für falsch. Hertwig, schlanker Schnauzbart, dunkle Krawatte auf rosa Hemd, ist ein alt gedienter Direktor im Bundesamt für Verfassungsschutz. Er wägt jedes Wort, bevor es den von Zaunringen umgrenzten Behördenbetonkoloss am Kölner Stadtrand verlässt. „In Fällen von Massenmilitanz ist es schwierig, Straftäter eindeutig zu identifizieren“, sagt er. Und bei „klandestinen Aktionen“ sorge „ein hohes Maß an Konspiration für ein minimales Entdeckungsrisiko.“ Es sei daher nicht möglich, „belastbare Aussagen über die Zusammensetzung der Täterkreise zu machen“. Übersetzt heißt das: Der Verfassungsschutz hat in diesem Milieu einfach wenig Durchblick.

Hertwig spricht zwar von einer „neuen Welle linksextremistischer Gewalt“, von „Ansätzen für eine stärkere Verbalradikalisierung“. Die Vorstufe zu einem neuen Linksterrorismus könne er derzeit aber wirklich nicht erkennen.

Stefan Redlich hat sein Büro im Berliner Polizeipräsidium, einem wuchtigen Altbau mit endlosen Fluren. Die Abteilung liegt hinter einer Sicherheitstür. Selbst der Polizeisprecher kommt nicht mit seiner Chipkarte durch, wenn er Besucher herumführt. Er muss warten, bis ihn jemand abholt.

Heute macht Redlich das selbst. Er gibt sich gern locker: „Guten Tag, Redlich!“ Das sei übrigens sein Klarname. Erwartungsvolles Grinsen. Vermutlich hat er den Scherz öfter getestet.

Redlich verschwindet hinter einer Tür, einer der wenigen auf diesem Flur, die außen ein Schlüsselloch und einen Knauf haben. Kurz darauf geht eine zweite Tür von innen auf. Sie führt in einen kahlen Konferenzraum. Der Pressesprecher sieht angespannt aus. Die Ermittlungen der Polizei gegen linke Straftäter zu verkaufen – keine schöne Aufgabe dieser Tage.

Redlich ist kein Scharfmacher. Andere nutzen Kriminalitätsstatistiken, um mehr Personal oder neue Ermittlungsbefugnisse für die Polizei zu fordern. Redlich will nicht einmal von einem „sprunghaften Anstieg“ der linken Gewalt sprechen: „Wir beobachten phasenweise immer mal wieder eine hohe Aktionsbereitschaft.“

Und die RAF?

Die drei Buchstaben bringen ihn auf. „Was wir momentan beobachten, hat mit der RAF nichts zu tun. Wer das herbeiredet, betreibt reine Stimmungsmache.“ Die „gezielte Tötung von Menschen“ gelte in der linken Szene weiterhin als „nicht vermittelbar“. Genau das aber wollten linke Gewalttäter: „vermittelbare“ Taten.

Wenn ich eine Flasche auf Polizisten werfe, muss ich mich fragen: War das notwendig?

DER AUTONOME

Sonst müsste sich Fabian Hofmann vielleicht fragen, ob er wirklich einer der Guten ist.

Vor Stefan Redlich auf dem Konferenztisch im Polizeipräsidium liegt eine Broschüre des Berliner Verfassungsschutzes. Es ist eine der wenigen Untersuchungen über linke Gewalttäter. Darin steht: Der autonome Straftäter ist jung, männlich, halbwegs gebildet. Doch selbst Verfassungsschützer zweifeln an der Aussagekraft.

Die Linken saufen nicht – um keine Fehler zu machen

Natürlich können auch Redlichs Ermittler das Profil jener auswerten, die bei Großereignissen wie der Liebigstraßen-Räumung oder am 1. Mai festgenommen werden. Doch was sagt das schon aus? „Man erwischt hier nicht den Durchschnittstäter“, sagt der Dezernatschef, „sondern eher den jungen Mann im weißen Trainingsanzug mit der Leuchtkappe.“ Mitläufer, die sich freuen, wenn es knallt.

Redlich ist bewusst, dass es Autonome gibt, die jahrelang randalieren, ohne je vor Gericht zu kommen. Im Gegensatz zu Neonazis betrieben sie oft „einen erheblichen Aufwand“, um keine Spuren zu hinterlassen. Sie begingen die Straftaten möglichst „giftfrei“ – ohne Alkohol oder Drogen. Um dumme Fehler zu vermeiden.

Während Fabian Hofmann im Café erzählt, trinkt er Kakao.

Viele in der Szene, sagt Redlich, hätten außerdem eine „extreme Phobie“ gegen Handys. „Und wer nicht über Handy kommuniziert, kann auch nicht abgehört werden.“ Wird doch mal jemand geschnappt, schweigt er meist. „Die sagen nicht mal: Mir geht’s heute gut, ich komme aus Bayern“, sagt Redlich.

Schweigen füllt keine Akten.

Der letzte wirkliche Fahndungserfolg gelang im Juli 2007. Die Berliner Polizei fasste drei Mitglieder der „militanten gruppe“, als die versuchten, Lkws der Bundeswehr in Brandenburg anzuzünden. Ein Altenpfleger, ein Sozialarbeiter, ein Buchhändler. Zwei 35, einer 46 Jahre alt. Keiner vorbestraft. Sie hatten sich in Internetcafés abgesprochen, über die Entwurfsordner von E-Mail-Accounts, mit Tarnnamen.

Fabian Hofmann nennt seine Szene „paranoid“. Er wirkt ein bisschen belustigt dabei.

Wenn ihn aber ein Unbekannter auf einer Demo anspricht, schweigt er – es könnte ja ein Zivilpolizist sein.

Stefan Redlich kennt die Grenzen der Polizeiarbeit und er traut sich, sie öffentlich einzugestehen. „Alleine mit polizeilichen Mitteln schaffen wir es nicht, diese Gewalt einzudämmen“, sagt Redlich. Er wünscht sich eine „gesellschaftliche Ächtung“ linker Übergriffe. Die Bürger müssten begreifen, was linksextreme Gruppen wirklich wollten: den Angriff aufs demokratische System. Auf Themen wie Tierschutz oder Atomausstieg setzten sie nur aus strategischen Gründen.

Will er einen neuen Aufstand der Anständigen? Diesmal gegen die anderen? Linksextreme seien „keine rotlackierten Nazis“, sagt Redlich. „Eine Lichterkette für einen geschädigten Immobilienbesitzer ist schwer vorstellbar.“

Dann muss er selbst kurz lachen.

Vorerst kann er nur weitermachen und auf Fehler der Autonomen hoffen. Kürzlich haben sie nachts zwei Männer gefasst, die sie für Autobrandstifter halten. Die ersten in diesem Jahr. 24 und 43 Jahre alt, die beiden hatten Grillanzünder dabei. Ein Erfolg, endlich.

Redlich erzählt gerne davon. Die Polizei musste ein paar Nächte nicht wegen brennender Autos ausrücken. Redlich ist überzeugt: Festnahmen schrecken ab. Er glaubt an ihre Signalwirkung, auch an die von Gefährderansprachen.

Stefan Redlich versichert, er kenne nur einen Linksautonomen, der nach einer Ansprache wieder aufgefallen sei.

Fabian Hofmann kennt noch einen anderen.

Astrid Geisler, 36, ist taz-Reporterin. Neulich warf jemand einen blauen Farbbeutel auf ihr Haus

Konrad Litschko, 27, taz-Berlin-Redakteur, hat mal eine Tomate auf eine Nazi-Demo geworfen