: Einer gegen Ebola
VIRUS Alle Welt sucht einen Impfstoff gegen Ebola. Den aussichtsreichsten Kandidaten fand ein deutscher Forscher – zufällig, aus einer Langeweile heraus
Diverse Wirkstoffe gegen Ebola werden gerade getestet. Ein schneller Überblick ■ ZMapp Das ist es: Serum aus im Labor hergestellten Ebola-Antikörpern. Heften sich ans Virus an und sollen Vermehrung stoppen. Getestet: Erfolgreich an Affen. Aktuell sieben Menschen mit ZMapp behandelt, zwei starben. Das Problem: Derzeit alle Reserven aufgebraucht. Herstellung neuer Dosen mit gentechnisch veränderten Tabakpflanzen gilt als teuer und zeitintensiv. ■ TKM-Ebola Das ist es: Moleküle sogenannter Small interfering RNAs greifen in die Proteinproduktion der befallenen Zellen ein, stoppen das Virus. Getestet: Bisher nur an Affen. Einer von sieben starb. Ab Jahresende klinische Studie an Menschen in Westafrika. US-Arzt Richard Sacra hat es gerettet. ■ Außerdem: Bei einer mit Ebola infizierte Krankenschwester half das Grippemittel Favipiravir. Der antivirale Wirkstoff Brincidofovir gegen Ebola wurde bisher nur im Labor getestet, ist in den USA aber in Notfällen zugelassen.
VON HEIKE HAARHOFF
Der Mann, von dessen Entdeckung das Leben von Millionen Menschen in Westafrika abhängen könnte, sitzt in Hamilton, einem 4.300-Einwohner-Ort in den Rocky Mountains. Dort, im Bundesstaat Montana, betreibt die Gesundheitsbehörde der USA ihr Nationales Institut für Allergien und Infektionskrankheiten, eine Seuchenbehörde wie das deutsche Robert-Koch-Institut. Heinz Feldmann ist hier der Chefvirologe. Es wird Nachmittag bei ihm, als er ans Telefon geht. Er sagt: „Natürlich gab es Warnungen vor Ebola. Von uns. Und von anderen.“
Er rollt das R ein wenig, manche Fachbegriffe fallen ihm auf Deutsch gar nicht mehr ein. Vor bald zwei Jahrzehnten hat Feldmann, 55 Jahre, seine Heimat, den Forschungsstandort Deutschland, verlassen, weil es dort keine Festanstellung gab für einen wie ihn. Einen Wissenschaftsnerd, Vordiplom in Biologie, zweites medizinisches Staatsexamen. Schon damals, seit einem Studienaufenthalt am Center for Disease Control in Atlanta, USA, beschäftigte ihn die Frage, wie hochinfektiöse Viren funktionieren. Lassa, Ebola, Marburg. Viren, mit denen kaum ein Mensch etwas zu tun haben will. Weil sie Krankheiten auslösen, die einen das Gruseln lehren. Weil sie den Tod bringen, und weil sie bislang wenig aufzuhalten vermag: keine Therapie, kein Medikament, kein Impfstoff.
Feldmann ist fasziniert davon, wie sich mit diesen Viren experimentieren lässt. Er hat mehr als zehn Jahre in Kanada verbracht und dort im Auftrag der Regierung ein Hochsicherheitslabor für solche Erreger aufgebaut. Er hat Proteine eines hochgefährlichen Virus in andere, weniger gefährliche Viren eingepflanzt und beobachtet, wie sie sich dadurch verändern. Seit 2008 forscht er in den USA.
Für einen Moment wird es still in der Leitung. „Vielleicht waren unsere Warnungen vor Ebola einfach nicht laut genug“, sagt er dann.
Es gibt wenige Wissenschaftler, die sich so lange und so intensiv mit dem Ebola-Virus beschäftigt haben wie Heinz Feldmann: Der Impfstoff, auf den sich jetzt die überdimensionierten Hoffnungen einer geschockten Welt im Kampf gegen Ebola konzentrieren, ist seine Entdeckung. Sie stammt aus dem Jahr 1999, wurde 2005 erstmals in dem renommierten Wissenschaftsmagazin Nature Medicine veröffentlicht – dann passierte lange Zeit nichts.
Fünfzehn Jahre lang kam keine Regierung dieser Welt auf die Idee, den Impfstoffkandidaten mit dem kryptischen Namen rVSV-ZEBOV, den Feldmann in seinen Labors kreiert hatte, in einer klinischen Studie auch an Menschen zu erproben, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Feldmann hat ihn bisher nur erfolgreich an Makaken getestet, einer Primatenart. Er sagt: „Vielleicht haben wir zu lange zu sehr darauf vertraut, dass sich die Ausbrüche kontrollieren lassen.“ Sonst wären sie jetzt vermutlich weiter in der Ebola-Forschung. Wüssten schon, ob auch Menschen Feldmanns Impfstoff vertragen. Könnten schon sagen, bei welcher Dosierung sich genügend Antikörper im Blut bilden. Und hätten vor allem die wichtigste aller Fragen geklärt: Schützt der Impfstoff nicht nur Affen, sondern auch Menschen vor Ansteckung?
Wüssten, könnten, hätten. In Westafrika schießt die Zahl der Neuinfektionen weiter in die Höhe. Gerade erst wurden erste Ebola-Tote in Mali gemeldet.
Die zuständige Aufsichtsbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut, hat Feldmanns Impfstoff in Deutschland vor einer Woche freigegeben für eine erste klinische Studie an Menschen.
Feldmann sagt: „Wir haben einfach zu viele Feuer.“
rVSV-ZEBOV kann sie nicht löschen, eine Impfung ist kein Heilmittel für Kranke. Aber sie könnte dazu beitragen, dass der Flächenbrand gestoppt wird und nicht noch mehr Gesunde sich anstecken. „Hey“, Feldmann ruft es fast ins Telefon, „hinterher weiß man immer alles besser! Aber wenn meine Vakzine demnächst erfolgreich eingesetzt werden kann, dann bin ich zufrieden.“
Seine Vakzine. Molekularbiologisch handelt es sich bei rVSV-ZEBOV um das, was Feldmann und seine Kollegen Vektorimpfstoff nennen. Dabei wird in das Erbgut eines Virus fremde Erbinformation eingebaut, beispielsweise die eines anderen Virus oder Bakteriums. Im Körper des Infizierten sorgt das eingebaute Virusprotein dann dafür, dass sich dort Antikörper bilden. Das völlig Neue daran ist: Es wird ein ungefährliches Virus verwendet.
Feldmann wählte das abgeschwächte Vesikuläre Stomatitis-Virus (VSV), um damit Ebola-Proteine einzuschleusen. Es ist relativ einfach strukturiert, besteht aus nur fünf Genen und löst bei Huftieren eine Krankheit ähnlich der Maul- und Klauenseuche aus. Eines der fünf Gene schnitt Feldmann heraus und ersetzte es durch ein nichtinfektiöses Proteinstück des Ebola-Virus. Das Immunsystem der Affen, denen Feldmann seinen Impfstoff spritzte, bildete daraufhin Antikörper, die sie zu 100 Prozent vor der tödlichen Ebola-Infektion schützten.
Feldmann sagt: „Immer wenn man denkt, man ist ganz nah dran, zeigt einem die Natur, dass sie stärker ist.“
Seine Entdeckungsgeschichte beginnt an der Medizinischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg. Das Institut für Virologie liegt auf einem bewaldeten Hügel oberhalb der Innenstadt. Es ist mit 60 Mitarbeitern eine kleine Einrichtung, zumindest im internationalen Vergleich. Der Biologe Markus Eickmann, 47 Jahre, Pulli, Jeans, ein zupackender Typ, steht in einem Seminarraum und stopft gelbe, gebrauchte Plastikschutzanzüge in einen Sack.
„Der wollte Proteine verstehen“, sagt ein Kollege
Er hat gerade ein Dutzend Krankenhauspfleger geschult, im Erstkontakt mit „Verdachtspersonen“, so heißen potenzielle Ebola-Kranke jetzt. Er hat jeden Tag mehr zu tun. „Ist schon verrückt“, murmelt er und führt in die Teeküche seines Instituts. Eickmann leitet hier das Hochsicherheitslabor, Biosafety Level 4, höchste Stufe. Mit seinem ehemaligen Kollegen Feldmann ist er bis heute in Kontakt.
„Der wollte keinen Impfstoff entwickeln“, sagt Eickmann in der Teeküche, „der wollte das Protein verstehen.“ Ein klassischer Grundlagenforscher.
Als Heinz Feldmann in den 80er Jahren in Marburg anheuert, ist das Institut eines von zweien in Deutschland, das überhaupt mit hoch infektiösen Erregern der obersten Schutzstufe operieren darf. Lassa, Ebola, Marburg, Hanta, Sars – das Horrorkabinett tödlicher tropischer Viren, es hat seinen Sitz hinter orangen Mauern in Marburg, Nordhessen.
Die Schleusen des Hochsicherheitslabors sind TÜV-geprüft. Wer am Ende einer Laborschicht wieder rauswill, wird mit Chemikalien abgeduscht, sonst öffnen sich die Schleusen erst gar nicht. Selbst geschulte Institutsangestellte in Raumanzügen werden nur nach einem Check nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz hineingelassen.
Die Idee, das Genom von Viren zu verändern und dann auf Zellkulturen zu übertragen, sei in den 90er Jahren unter internationalen Virologen „en vogue“ gewesen, sagt Markus Eickmann. Sie entstand an der Yale University. Das Ziel: Herausfinden, wann eine Infektion eintritt. Heinz Feldmann will die Forschung damals nach Marburg holen. Aber ein Mediziner, der sich im Vollzeitjob mit Ebola beschäftigt, diesem Erreger, der ab und zu im kongolesischen Dschungel wütet und ein paar hundert Menschenleben fordert, wird in Deutschland als Exot belächelt.
Dass sich Viren in Flugzeugen rasant ausbreiten können und so zu einer globalen Bedrohung werden, so weit denken damals die wenigsten. Die große Sars-Panik steht erst noch bevor.
„So was Schräges, also Erreger der höchsten Sicherheitsstufe an Affen zu testen, so was konnte man damals nur in Übersee machen“, sagt Markus Eickmann. „Stellen Sie sich den Aufstand bei uns vor, wenn die Affen sterben.“
Als Feldmanns befristeter Vertrag Mitte der 90er Jahre ausläuft, bedauern die Kollegen in Marburg seinen Weggang. Das Forschungsprojekt immerhin darf er mitnehmen. Seine neue Wirkungsstätte: die kanadische Gesundheitsbehörde Health Canada. Sein Auftrag: der Aufbau eines Virenlabors der höchsten Sicherheitsstufe 4 in Winnipeg, Hauptstadt der kanadischen Prärieprovinz Manitoba.
Heinz Feldmann exportiert sein Ebola.
Das Hochsicherheitslabor, das er aufbaut, soll Kanada bei der Diagnostik von Viren unabhängig machen. Erst einmal fehlen allerdings die Genehmigungen der Behörden. Fast ein Jahr dauert es, bis alle Formalitäten erfüllt sind. Feldmann wartet.
Vielleicht braucht es genau solch eine bezahlte Langeweile, damit Menschen auf die eine, die entscheidende Idee ihres Lebens kommen. Feldmann fällt in dieser Phase das ein, was er jetzt „Verlegenheitslösung“ nennt.
Verboten haben die Behörden ihm erst einmal, mit Erregern der höchsten Sicherheitsstufe L4 zu arbeiten. Nicht verboten haben sie ihm die Arbeit mit Viren niedrigerer Sicherheitsstufen, mit L2-Erregern etwa. Sogar das Ebola-Virus lässt sich auf L2 reduzieren: Man darf es bloß nicht als Ganzes verwenden.
Feldmann nimmt also nur einen Bruchteil des Virus, ein Oberflächen-Antigen, das keine Infektionen hervorruft, mit dem sich aber trotzdem beobachten lässt, ob und wie Organismen darauf reagieren.
Dass er damit nebenbei das Grundprinzip seines späteren Impfstoffs rVSV-ZEBOV gefunden hat, eines Impfstoffs, nach dem er nie aktiv gesucht hatte, sei ihm erst allmählich klar geworden, und zwar am Tiermodell mit Mäusen, die plötzlich immun gegen Ebola wurden, erzählt Feldmann.
Und dabei wäre es vielleicht geblieben, wäre Kanada nicht Nachbar der USA. Ende der 90er Jahre beschäftigen sich nordamerikanische Sicherheitsbehörden, Geheimdienste und das Militär zunehmend mit Gefahren eines potenziellen Missbrauchs hochgefährlicher Erreger zu bioterroristischen Zwecken. „Das war einer der Hauptantriebe der Regierungen, Geld in unseren Impfstoff zu stecken“, sagt Heinz Feldmann. Auch rVSV-ZEBOV profitiert von der diffusen Angst vor einem Angriff mit Biowaffen: Die kanadische Gesundheitsbehörde fördert seine Weiterentwicklung, später lässt sie ihn von der US-Firma Newlink Genetics lizenzieren.
Das Tückische an Viren wie Ebola ist: Sie sind zäh und verändern sich. Ihre Erbinformationen schleusen sie in fremde Zellen. Damit wird das Erbgut der Wirtszelle so umprogrammiert, dass sie viele weitere Viren produziert. Für Arzneimittelforscher ist das ein Dilemma: Das Virus selbst zu töten, ist äußerst schwierig. Medikamente können höchstens seine Vermehrung stoppen. Gelungen ist das weltweit bei einer Handvoll Viruserkrankungen: Herpes, HIV, Hepatitis C und B. Die Wissenschaftler hoffen deshalb auf Impfungen.
Nach Auskunft des Verbands forschender Arzneimittelhersteller existieren derzeit weltweit 19 verschiedene Impfstoffkandidaten gegen Ebola. Sie werden, teils schon seit Jahren, von Pharma- und Biotech-Unternehmen oder öffentlichen Forschungseinrichtungen entwickelt, häufig mit Geldern aus dem Verteidigungsetat der USA. Neben Feldmanns rVSV-ZEBOV ist allerdings nur ein einziger weiterer Impfstoff schon so weit, dass er seit wenigen Wochen in den USA und in Mali an Menschen getestet werden darf: cAd3-EBO Z des Arzneiriesen GlaxoSmithKline.
Auch cAd3-EBO Z nutzt das Vektorprinzip, hat aber als Träger das Adenovirus, das bei Schimpansen zu Erkältungen führt. Welcher Impfstoff sich am Ende durchsetzt, dürfte auch davon abhängen, wie viel Wirkstoff für eine Immunisierung benötigt wird und mit welchem Aufwand er hergestellt werden kann. Der Kampf gegen Ebola, er ist nicht nur ein Wettlauf gegen die Zeit, sondern auch ein Ringen um Produktionskapazitäten.
Der Impfstoff aus Kanada wird in Hamburg getestet
Ende 2013 meldet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus Guinea einzelne Ebola-Fälle. Als sich abzeichnet, dass es nicht bei einem lokalen Ausbruch bleiben würde, entschließt sich die kanadische Regierung zu einem Schritt, der sich als weitsichtig erweisen wird: Vorsichtshalber lagert sie 1.500 Ampullen von Heinz Feldmanns Impfstoff ein. Gut die Hälfte dieser Chargen wird sie später der WHO spenden. rVSV-ZEBOV wird nun erstmals an Menschen getestet.
In Hamburg, in Genf und an zwei weiteren Orten in Gabun und in Kenia soll der Impfstoff zunächst an etwa 250 gesunden Erwachsenen erprobt werden. In dieser Phase geht es vor allem darum, festzustellen, ob er verträglich ist, also keine schwerwiegenden Nebenwirkungen verursacht. Außerdem soll gemessen werden, ab welcher Dosis sich im Blut der Probanden so hohe Mengen von Antikörpern bilden, dass Ärzte davon ausgehen können, dass die Geimpften immun sind.
Sind diese Versuche erfolgreich, könnte ab Anfang 2015 eine nächste Testphase mit weitaus mehr Probanden in Westafrika starten: Sie würde zeigen, ob sich die Hoffnungen erfüllen – ob rVSV-ZEBOV tatsächlich auch Menschen vor Ansteckung schützen kann. Analysiert und ausgewertet werden sollen die Blutproben sämtlicher Studienteilnehmer von den Spezialisten des Instituts für Virologie an der Universität Marburg – Feldmanns Kollegen von einst.
Jetzt drängt die Zeit. Am 7. November hat das Paul-Ehrlich-Institut als deutsche Aufsichtsbehörde grünes Licht gegeben: Die klinische Erprobung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) kann beginnen. Dreißig Freiwilligen soll der Impfstoff in den nächsten Wochen am UKE gespritzt werden, „darunter möglicherweise medizinisches Personal, das Ebola-Erkrankten in Deutschland oder in Afrika helfen wird“, teilt das Paul-Ehrlich-Institut mit. Am Montag dieser Woche informiert es: Die Studie laufe nun an.
Wer jetzt die zündende Idee für ein Mittel gegen Ebola hat und es schnell für tausende Menschen einsetzbar machen kann, der macht das Geschäft seines Lebens. Bald täglich werden neue Wirkstoffnamen ins Spiel gebracht von Pharmafirmen oder Behörden. Mitte November ist allein die Zahl der potenziellen Arzneimittelkandidaten auf weltweit 17 gestiegen. Dazu kommen die 19 Impfstoffkandidaten. Und eine experimentelle Idee der Weltgesundheitsbehörde, wonach Erkrankte mit Blut oder Plasma von Personen behandelt werden könnten, die Ebola überstanden haben.
Die Bilanz ist bisher ernüchternd: Die meisten experimentellen Arzneimittel sind nicht einmal über die präklinische Phase im Labor, mit Zellkulturen oder an Tieren, hinausgekommen. Selbst wenn sich herausstellt, dass ein Impfstoff hilft – wird er dann binnen kurzer Zeit in ausreichender Menge produziert werden können? Und wer garantiert, dass in den Tropen die Kühlkette eingehalten wird, damit der Impfstoff noch wirkt? Zehntausende Impfdosen bis Anfang 2015, diese Zahl hält der Hersteller Newlink Genetics für machbar. Allein in Guinea, Sierra Leona und Liberia, den bisher betroffenen Ländern, leben mehr als 20 Millionen Menschen.
In Saudi-Arabien taucht schon ein anderes Virus auf
In Marburg, in der Teeküche des Instituts für Virologie, sagt Markus Eickmann: „Wir kümmern uns zurzeit nur noch um Ebola und lassen alles andere sein.“ Die schon geplante klinische Studie für einen Impfstoff gegen das Mers-Coronavirus, das sich derzeit beunruhigend schnell in Saudi-Arabien ausbreitet, Sterblichkeitsraten von 30 bis 50 Prozent, haben sie erst mal hintangestellt. Einen jungen Kollegen, der ansonsten im Marburger Hochsicherheitslabor zu Lassa-Viren forscht, war zuletzt wochenlang in Guéckédou in Guinea, um dort beim Aufbau eines europäischen mobilen Labors zu helfen.
Es gibt Fotos, die zeigen den jungen Mann auf einem matschigen Platz roter Erde, in Gummistiefeln und unter Planen, hinter ihm eine Isolierstation von Ärzte ohne Grenzen, die aussieht wie ein alterndes Bundeswehrzelt. Er hantiert mit Handschuhen, aber ohne Schutzanzug in einem kleinen Glaskasten mit Blutproben. Die sogenannte Glove Box, ein winziges Hochsicherheitslabor, mit zahlreichen Filtern, betrieben mit Strom aus einer Autobatterie. In der Glove Box kann das Ebola-Virus außer Kraft gesetzt werden, ohne dass bei der Prozedur die Erbinformation verloren geht.
Anschließend können die Blutproben ohne Ansteckungsrisiko untersucht werden, etwa auf die Konzentration der Erreger oder auf etwaige Virus-Mutationen. Trotz aller Bemühungen ist derzeit immer noch unklar, weshalb manche Infizierten überleben und andere nicht.
Es ist eine Arbeit, die angesichts der Dramatik des aktuellen Ausbruchs Vorrang hat, der Biologe Eickmann weiß das, aber eigentlich kann es sich sein Institut nicht leisten, sechs von sechzig Mitarbeitern abwechselnd wochenlang nach Westafrika zu schicken.
Eickmann will deshalb weg von dem, was er „Feuerwehrspiele“ nennt, hin zu einem Vorgehen, das die Zeit zwischen künftigen Ausbrüchen besser nutzt. Er ist überzeugt: Eine der Lehren aus Ebola muss sein, die internationalen Pläne gegen Pandemien zu verbessern.
Eickmann und seine Kollegen in Marburg würden die Vorkehrungen gern ausweiten: auch auf Viren, die im Augenblick noch völlig unbekannt sind. Viren, mit denen noch keiner rechnet, die aber kommen werden, er ist sich da ganz sicher. Weil sie längst existieren, in den Urwäldern Südamerikas, Afrikas oder Asiens. Weil es nur eine Frage der Zeit ist, bis Menschen auch in diese letzten noch abgeschotteten Lebensräume vordringen und damit geradezu provozieren, dass die Viren von den Tieren auf den Menschen überspringen. Weil Seuchen das 21. Jahrhundert prägen werden. Man müsste sich vorbereiten.
„Die Kultur des Sich-Wappnens ist in unserem Kulturkreis leider nicht sehr verbreitet“, sagt Markus Eickmann. Er will mit seinen Leuten im nordhessischen Hochsicherheitslabor aber vermehrt nach Bausteinen forschen, generelle Bausteine für Impfstoffe etwa, die dann, wenn das unbekannte Virus auftaucht, nur noch daran angepasst werden müssten.
Am Telefon in den Rocky Mountains sagt Heinz Feldmann: „Ebola ist keine unglückliche Ausnahme. Was gerade in Westafrika passiert, kann morgen anderswo mit Lassa, Hanta oder Mers-Corona passieren.“
Er will sich impfen lassen, sobald das geht: „Wäre doch blöd, wenn ich erst eine Vakzine entwickele und ihr dann nicht traue.“ Auch er ist regelmäßig in Monrovia, der Hauptstadt Liberias, gewesen, um dort während der Regenzeit Feldlabore aufzubauen. Unter Zeltplanen in Gummistiefeln und im Plastikanzug hat er Blutproben untersucht und versucht, die Labordiagnostik zu verbessern. „Nie zuvor haben wir so viel über das Virus lernen können“, sagt Feldmann. „Und klar“, fügt er hinzu, nicht dass man ihn da missversteht: „Wir helfen auch.“
■ Heike Haarhoff, 45, ist taz-Redakteurin für Gesundheitspolitik