: NEW YORKER ACHSE VON CHRISTOPH BRAUNAus dem Rückspiegel
„You can’t beat 2 guitars, bass and drums.“ So steht es geschrieben auf Lou Reeds „New York“ von 1989. Lang, lang ist’s her, doch das althergebrachte Instrumentarium des Rock ist bis heute nicht untergegangen. Hat Ryan Adams jemals ein Keyboard gebraucht, also wirklich um seiner Klangfarben eingesetzt? Alles elektronisch gestützte ist auch auf dem neuen Album „Easy Tiger“ wieder da, um das Gitarren-Bass-Schlagzeug-Dogma etwas aufzupolieren. Die Songs: nicht schlecht. Die Produktion: unfassbar gut gemacht. Und damit hat es sich auch schon mit dem Netten, das über „Easy Tiger“ zu sagen wäre. Mehr gibt es hier nämlich nicht. Man fragt sich bei so was halt immer, was die Leute Musiker damit wollen. Diese Songs erzählen nichts aus dem Leben des Sängers Ryan Adams, geschweige denn, dass sie sich in Schale werfen würden, um eine Pose, eine Fiktion zu finden. Dafür behaupten sie in ihrer konventionellen Gemachtheit und im lässigen Muckertum der Studioband eigentlich nur, dass sie irgendwie erwachsen sind. Das gilt auch für die Arrangements, in denen ein allzu bekanntes Spiel von Opulenz und Reduktion gespielt wird. Wenn hie und da sachte eine Steelguitar aufheult, wenn eindringlich Neil Young in „Tears Of Gold“ die Ehre erwiesen wird und ab und an so richtig lauter Rock rauskommt, dann hat „Easy Tiger“ etwas von einem Rückblick auf all die bisherigen Schaffensphasen Ryan Adams. Auch keine berauschende Idee für einen 32-Jährigen.
Ryan Adams: „Easy Tiger“ (Universal)
Aus dem Borough
Während Ryan Adams nach 9/11 mit seinem lokalpatriotisch missverstandenen Liebessong „New York, New York“ zum Darling der City mutierte, widmeten die Beastie Boys 2004 gleich ein ganzes Album den fünf Bezirken der Stadt. „To The 5 Boroughs“ war eine gelungene Rap-Platte, und das klingt jetzt bewusst nach objektivierendem Kritikerjargon. Zwar liefen Stücke wie „Ch-Check It Out“ zu Recht in allen Clubs, auf allen Partys, doch der große Überraschungsmoment fehlte. Jetzt wird alles gut: serpentinenartig umfließen die Instrumental-Tracks von „The Mix-Up“ jedes limbische System, noch jeden präfrontalen Hirnlappen! Der Kern der Beasties spielt Drums (Mike D), Bass (MCA) und Gitarre (Adrock) und hat die Stücke allesamt für dieses Album ersonnen – anders als noch auf „The Insound From Way Out“, die aus Instrumentals verschiedener LP-Aufnahmen kompiliert war. Für „The Mix-Up“ haben sich die Beastie Boys mit Keyboarder Money Mark und Perkussionist Alfredo Ortiz ständige Begleiter zu den Sessions in ihr Oscilloscope-Studio eingeladen. Dort machten sie sich dann eine offensichtlich gute Zeit mit Funk-Beats jeden Tempos, einlullenden bis antörnenden Klangfarbenverschiebungen und pro Stück geschätzten zwanzig Effektgeräten. „Joint“ heißt schließlich „zusammen“, und wenn der Bass aus einer schwarzen Tiefe schiebt, der Moog sirrt und Schlagwerke und Gitarre all dem ein rhythmisches Muster geben, dann wirkt das auch.
Beastie Boys: „The Mix-Up“ (EMI)
Aus dem Nichts
Cover und Bandname mögen die farbenfrohe Sprache des New Rave sprechen, doch Chin Chin aus Brooklyn bringen auf ihrem selbst betitelten Debüt ganz andere Clubmusiken unter. Das Quintett arbeitet aus den Traditionen Jazz, Disco, House und Funk eine schrullige, ebenso aber glamouröse Tanzmusik heraus. Dass es lange gedauert hat, bis ihr seltsamer Discokugel-Groove den Atlantik überqueren konnte, liegt in der ersten Idee, die Keyboarder Wilder Zoby, Schlagzeuger und Sänger Torbitt Schwartz und Pianist Jeremy Wilms hatten. Als schlichte Backing-Band für wechselnde Rapper wollte man auf Partys spielen. Die Ambitionen stiegen, als man bald weit über die Grenzen des Borough hinaus bekannt war und sich die gemeinsamen Auftritte und Albumproduktionen mit so illustren Namen wie etwa TV On The Radio, Peanut Butter Wolf oder El-P häuften. Mit „Chin Chin“ erschaffen sie nun lauter großartige Funk-Stücke wie aus dem Nichts. „Miami“ ist ein House-Stomper mit gewaltiger Hookline, „Curtis“ macht den Space Funk frisch, während „Mr. Sexy Boy“ die Schwüle des Südens verströmt. Dazwischen streuen Chin Chin als studierte Jazzer völlig unerwartete Breaks und Zwischenpassagen, in denen sie auf einmal polyrythmisch trommeln und lächelnde Trompeten erklingen lassen. Auf der Bühne stehen sie inzwischen zu zehnt. Hoffentlich bald auch hier.
Chin Chin: „Chin Chin“ (Dialect/Alive)