GABRIELE LESSER ÜBER NEBENSACHEN AUS WARSCHAUMIT DEM NEFFEN UND DESSEN ANHANG AUF RUNDREISE
: Besuch aus dem Westen

Als mein Neffe Maurice im Januar 18 wurde, schenkte ich ihm „eine Woche Warschau“. Ende Mai rief er an und fragte, ob er seinen Schulfreund mitbringen könne. „Kein Problem“, antwortete ich. „Sag Bescheid, wann ihr kommt. Ich hole Euch vom Flughafen oder Bahnhof ab.“

Mitte Juni klingelt das Telefon erneut: „Wir haben ein günstiges Ticket nach Rzeszow bekommen. Nächste Woche sind wir da.“ Ich traue meinen Ohren nicht: „Rzeszow? Das liegt in Südostpolen und ist mit der Bahn rund sieben Stunden von Warschau entfernt.“ Schweigen am anderen Ende der Leitung. Ich plane um: „Gut, dann zeige ich euch erst Rzeszow, dann Krakau und am Ende Warschau.“

Maurice und Martin kennen Polen ein wenig. Sie waren mit der Klasse eine Woche auf Gut Kreisau bei Breslau (Wroclaw) in Niederschlesien. Rzeszow genießt nicht den besten Ruf. Fußballfans marschieren dort regelmäßig als „Arier“ auf und schicken dann im Stadion die Spieler der gegnerischen Mannschaft „ins Gas“. „Sehen in Polen alle Flughäfen so aus?“, fragt Maurice als Erstes. „Wir mussten von der Landebahn zu Fuß in diese Container laufen.“ Ich deute auf den neuen Flughafen, der ein, zwei Kilometer weiter entsteht. „Das ist hier nur ein Provisorium.“

Ich zeige den beiden den historischen Boulevard, den Marktplatz und die beiden riesigen Synagogen, die heute als Archiv und Museum dienen. Dann nehmen wir auch schon den Zug nach Krakau. Im Stadtteil Kazimierz findet gerade das alljährliche jüdische Kulturfestival statt. „Wollen wir teilnehmen?“, frage ich. „Ja, klar“, antworten beide.

Wenig später proben wir unter Anleitung von Steve Weintraub einen Hochzeitstanz zu Klezmermusik. Als wir noch in der traditionellen Kakao-Trinkhalle Wedel köstlichen Schokoladenkuchen und Kirsch-Schoko-Eis genießen, steht für beide fest: „Wir kommen wieder.“

Zwei Tage später in Warschau. Regen. Wir gehen ins Museum des Warschauer Aufstands 1944. Für mich ist immer wieder faszinierend, wie Ausländer dieses Museum wahrnehmen. Maurice hört den Zeitzeugen zu, die begeistert über den Kampf gegen die Deutschen berichten und fragt verwirrt: Haben die Polen den Aufstand gewonnen? Wieso haben dann die Nazis die Stadt zerstört?“ Martin findet es seltsam, dass in dem Museum nicht auch der Warschauer Ghettoaufstand 1943 gezeigt wird, und meint: „Die jungen Warschauer gehen wohl voller Hass aus diesem Museum. Schade.“