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Archiv-Artikel

Verfassungsschutz macht Bildung

STAATSBÜRGERKUNDE Geheimdienst klärt Schüler über politischen Extremismus auf. Die Linke fordert Stopp

In der Regel bietet der Geheimdienst seine Veranstaltungen kostenlos an

In Niedersachsen drängt der Verfassungsschutz in die Bildungsarbeit. Vom 1. Januar 2010 bis zum 17. Juni 2011 richtete der VS mehr als 100 Veranstaltungen zur politischen Bildung aus. Vor allen in Schulen klärte die Behörde vor großem Publikum über „Extremismus“ auf. „Die Landesregierung muss den VS wieder aus den Schulen abziehen“, verlangt Pia Zimmermann, die innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Die Linke.

Mit einer kleinen Anfrage hatte sie nachgefasst, inwieweit der VS „de facto als Bildungsanbieter“ auftrete. In der Antwort führt das Innenministerium 50 Veranstaltungen mit mehr als 10.000 Schülern an und 60 Veranstaltungen mit rund 2.000 Gästen. Die extra 2009 beim VS aufgebaute „Niedersächsische Extremismus-Informations-Stelle“ wirbt offensiv mit ihrem Vortrags- und Schulungsangebot. Der VS versuche zivilgesellschaftliche Bildungsanbieter gegen Rassismus und Neonazismus zu verdrängen, kritisiert die Abgeordnete Zimmermann. Denn in der Regel biete der Inlandsgeheimdienst seine Veranstaltungen kostenlos an, worauf Schulen gerne zurückgreifen.

Die nichtstaatlichen Träger beklagen schon länger diese Entwicklung. Sie beschweren sich aber nicht, weil ihnen die Existenz streitig gemacht wird. Sie sind auch anders ausgerichtet. Anders als der VS mit seinem Extremismusansatz griffen die freien Träger die Wechselwirkungen zwischen antidemokratischen und rassistischen Tendenzen in der Mitte der Gesellschaft auf, sagt Zimmermann.

Die Abgeordnete sorgt sich, dass die Landesregierung den Einsatz des VS forcieren könnte: „Sie lässt die zivilgesellschaftlichen Initiativen ausbluten und stellt gleichzeitig Tausende von Euro dem VS zur Verfügung“, kritisiert die Abgeordnete.

Reinhard Koch, der Geschäftsführer der „Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt“ in Braunschweig sagt: „Grundsätzlich sollte die Prävention von vielen freien Trägern angeboten werden und der VS sich auf seine originäre Funktion beschränken.“ Eine Zusammenarbeit in Netzwerken sei aber dienlich, findet er. ANDREAS SPEIT