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Archiv-Artikel

„Willi, so schlecht war das nicht“

Der ehemalige Werder-Manager Willi Lemke wechselt vom Bildungs- zum Innensenator. Im Interview stellt er sich ein gutes Zeugnis aus. Nur aus dem Pisa-Tief wäre er gerne schneller herausgekommen

Interview von Klaus Wolschner

taz: Vor acht Jahren wollten Sie eigentlich Wirtschaftssenator werden …

Willi Lemke, Noch-Bildungssenator und designierter Innensenator (SPD): Henning hatte damals viele Ideen, unter anderem, dass ich Wirtschaft übernehme. Und ich habe gesagt: „Ja, kein Problem, mach ich.“ Und ganz zum Schluss kam er dann und sagte: „Neumann will jetzt doch nicht für die CDU das Bildungs- und Wissenschaftsressort übernehmen, willst du das nicht machen?“

Ich habe damals einen Kommentar überschrieben: „Willi kann alles.“

Eine Nummer kleiner: Ich glaube, ich habe das ganz gut gemacht und einiges bewegt.

Jetzt machen Sie Sport und Inneres. Sport ist klar – aber Inneres?

Da habe ich überhaupt keine Bedenken. Ich will so schnell wie möglich alles hautnah erleben, den Alltag der Polizisten, die Arbeit im Stadtamt, im Ausländeramt und bei der Feuerwehr. Ich werde jede Dienstelle besuchen, werde nachts mit auf Streife gehen, zur Feuerwehr, um zu sehen, wie ist die Arbeit wirklich von den Menschen, die ihr Leben für uns einsetzen. Wenn ich dann mit den Personalräten rede, will ich wissen, worüber geredet wird. Bei der Bildung hat mir das ungeheuer geholfen. Genauso werde ich das in dem neuen Amt machen. Ich will die Mitarbeiter in ihrer Arbeit unterstützen und mich massiv vor sie stellen.

Politik ist eine Management-Aufgabe, bei der man die speziellen Fächer austauschen kann. Sie wollten was anderes machen?

Es ist in der Partei bekannt, dass ich den Bürgermeister darum gebeten habe. Für mich gab es aber klare Prioritäten. Die Wissenschaft gebe ich sehr ungern ab. Das gilt aber auch für das Bildungsressort, ich werde noch manche Träne verdrücken in den nächsten Tagen. Ich habe mich gerade verabschiedet von den russischsprachigen Jugendlichen. Ich habe dort beim Start-Projekt zur Förderung begabter ausländischer Kinder einen Schwerpunkt gesetzt. Wir haben 460 Stipendiaten in Deutschland, davon fast zehn Prozent in Bremen. Das ist ja alles Sponsoren-Geld, kein Staatsgeld. Ein großer Erfolg. Oder gucken Sie sich die Umbauten, die sanierten Schulgebäude, die neuen Mensen an. Da sage ich: „Willi – so schlecht war das nicht.“ Klar, ich habe nicht alles umsetzen können. Ich habe gedacht, das geht alles viel schneller, insbesondere bei den Pisa-Ergebnissen.

Jetzt kriegen Sie eine Nachfolgerin, die gerade eine Broschüre über die Gesamtschulen geschrieben hat. Das war nicht Ihre Passion.

Ich freue mich, dass die von mir politisch durchgesetzte gymnasiale Oberstufe der Gesamtschulen nächste Woche ihr erstes erfolgreiches Abitur feiert. Wenn Sie die Gesamtsschülerzahlen vom Beginn meiner Amtszeit mit der am Ende vergleichen, dann sehen Sie: Die haben sich enorm gesteigert. Und wir haben das ohne Schulkrieg hingekriegt. Wir haben immer gesagt: Der Schulfrieden ist uns wichtig, ich möchte, dass die Eltern entscheiden, wo die Kinder hingehen. Und die wollen eine durchgängige Perspektive für ihre Kinder.

Sie sehen zu Renate Jürgens-Pieper volle Kontinuität?

Ja. Ich war immer bemüht, die Gesamtschulen zu stärken. Gleichzeitig haben wir es den Eltern freigestellt, zu entscheiden, wo ihre Kinder hingehen.

Der große Zulauf für die Gesamtschulen kommt aber nicht von den Eltern, die ihre Kinder für den gymnasialen Weg anmelden wollen, eher von denen, die das ihren Kindern nicht unbedingt zutrauen. Wie kann man die Gesamtschulen attraktiver für Gymnasialkinder machen?

Sie müssen besser werden. Die müssen mit ihren eigenen Pfunden wuchern. Die haben eine höhere soziale Kompetenz, deutlich kleinere Klassen, einen Schulpsychologen, die sind deutlich besser ausgestattet als die Gymnasien. Daraus müssen sie etwas machen und sich dem Wettbewerb stellen. Ich habe einen Schreck gekriegt, als ich gesehen habe, wie die Anmeldezahlen von Gymnasialkindern zur Gesamtschule Mitte zurückgegangen sind. Die Eltern gucken gnadenlos, wo hat mein Kind die besten Chancen. Das kann ich doch niemandem verwehren.

Frau Jürgens-Pieper hat erste Schlagzeilen gemacht mit dem Gedanken, das Sitzenbleiben zu verbieten. Das kam von Ihnen nicht.

Nein. Das war bei dem Koalitionspartner völlig unmöglich. Die Frage des Sitzenbleibens ist letztlich für mich aber auch keine entscheidende Frage. Was machen wir, wenn ein Junge nicht mehr zur Schule geht? Man kann dann nicht sagen: Egal, was du machst, den Abschluss kriegst du sowieso. Das sieht Frau Jürgens-Pieper genauso. Da muss es eine Grenze geben, eine Konsequenz. Wir müssen jedem Kind sagen, wo seine Stärken sind, und es so fördern, dass Nichtversetzung zur absoluten Ausnahme wird. Beim Pisa-Gewinner Finnland übrigens gibt es nach der zehnten Klasse eine knallharte Leistungs-Auslese. Da gibt es Elite-Schulen, da kommt man nur mit 1,4 hin, wer schlechter ist, muss auf eine andere Schule gehen. Das ist das finnische System.

Sind Sie zufrieden mit dem, was zum Stichwort Schulautonomie erreicht wurde?

Wir sind am Anfang.

Immer noch?

Ja. Bei den Berufsschulen, da haben wir schon eine Menge geschafft. Mehr Autonomie kann man auch nicht einfach anordnen, das muss in den Schulen wachsen.

Wenn Sie ohne CDU hätten regieren können – was hätten Sie anders gemacht?

Die Notengebung in der Grundschule, das war ein klassischer Parteien-Kompromiss mit der CDU. Ich hätte vielleicht für die Ganztagsschulen mehr Geld gekriegt. Auch für andere Reformschritte der Bildungspolitik, kleinere Klassen zum Beispiel. Ohne Geld kann man keine Wunder bewirken.