: Wie Spielen an der Autobahn
Weil immer größere Schiffe auf der Elbe hohe Wellen auslösen, fürchtet die Stader Bundestagsabgeordnete Margrit Wetzel um die Sicherheit der Badestrände. Für die Hafenbehörde sind die Schnellfahrer auf der Elbe Einzelfälle
Ist die Elbe vor allem Verkehrsweg oder Naherholungsbereich? Darüber ist eine Diskussion entbrannt, nachdem Mitte Juni ein Frachter mit überhöhter Geschwindigkeit am Hamburger Kinderstrand Wittenberge eine starke Welle auslöste, die eine Familie erfasste und gegen die Uferbefestigung schleuderte.
Weil an dieser Stelle häufiger etwas passiere, erstellt die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) nun ein Gutachten mit Sicherheitsempfehlungen. „Ergebnisoffen“, wie BSU-Leiter Jörg Kaufmann betont.
„Die Elbe ist ein Verkehrsweg“, sagt Christiane Kuhrt von der Hamburger Hafenbehörde „Port Authority“. „Sie würden Ihr Kind ja auch nicht an einem Autobahnrand spielen lassen“. Die Behörde weise aber mit großen Schildern auf die Gefahr der Schiffswellen hin. „Wir müssen auch an die Menschen denken, die die Elbe zur Naherholung brauchen“, hält die Stader Bundestagsabgeordnete Margrit Wetzel dagegen. In Bassenfleeth bei Stade oder Altenbruch bei Cuxhaven zum Beispiel gibt es Badestrände, die touristisch genutzt werden. In den letzten Jahren sei es immer wieder zu Unfällen im Zusammenhang mit Containerschiffen gekommen.
Im August 2003 wurden bei Altenbruch sechs Kinder verletzt, als die 1 Meter 50 hohe Welle eines Containerschiffs sie überraschte. Am 19. Dezember 2006 löste ein zu schnell vorbeifahrende Containerschiff beim Elbe-Jet-Anleger bei Lühe eine zwei Meter hohe Welle aus, die einen Steinwall zerstörte und die Steinbrocken bis auf den nahe liegenden Parkplatz spülte. Der Steinwall war von der Gemeinde erst im April 2005 aufgeschüttet worden, nachdem es seit Mitte der 90er Jahre immer wieder zu Überschwemmungen durch Schiffswellen gekommen war. Am schlimmsten war ein Vorfall am 4. November 2001, als eine ein Meter hohe Flutwelle den Platz überschwemmte. Dabei wurden zwei Menschen schwer verletzt.
Margrit Wetzel sieht einen Zusammenhang zwischen der Elbvertiefung von 1999 und diesen Vorfällen. „Je tiefer die Elbe, desto größer die Schiffe, desto höher die Gefahr, dass sie zu schnell fahren“, sagt sie. Das Schiff, das die Welle bei Hamburg auslöste, maß 317 Meter. Nach ihren Recherchen sollen nach der nächsten Elbvertiefung auf 17,5 Meter gar 350-Meter-Riesen den Fluss tideunabhängig passieren können. „Die haben eine Mindestgeschwindigkeit von 12 Knoten, unter der sie nicht steuerbar sind“, sagt die Verkehrspolitikerin. „Das heißt, sie fahren im Allgemeinen deutlich schneller“.
Die Hydrologen der Hamburger Hafenbehörde sehen hingegen „definitiv keinen Zusammenhang“ zwischen den Wellen und der Elbvertiefung, wie Christiane Kuhrt sagt. Sie verweist darauf, dass bei den rund 24.000 An- und Abfahrten nur ein sehr kleiner Bruchteil der Schiffe zu schnell führe. Dafür gibt es im Seefahrtsrecht keine Tempo-Grenze, sondern eine „Generalklausel“, die den Schiffenauferlegt, so langsam zu fahren, dass „Gefährdung durch Sog und Wellenschlag“ vermieden wird. Da es 2003 insgesamt16 Beschwerden gab, für die die Kapitäne auch angemahnt wurden, 2004 aber nur drei, sieht die Sprecherin hier einen rückläufige Trend. Neuere Zahlen lägen ihr nicht vor. Margrit Wetzel fordert jetzt eine Statistik aller durch Schiffswellen verursachten Unfälle seit 1999. KAIJA KUTTER