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Familien für Flüchtlinge gesucht

FLÜCHTLINGE Pflegekinder in Bremen (PIB) klärt über das Programm „Kinder im Exil“ auf und sucht Pflegefamilien für junge Flüchtlinge

„Den Jugendlichen hilft das Alltagsleben in Familien, Deutschland zu verstehen“

Eva Rhode, PIB

Pflegekinder in Bremen (PIB) sucht Menschen, die junge Flüchtlinge als Pflegekinder aufnehmen wollen. Am Donnerstag findet deswegen um 19 Uhr ein Infoabend über das Programm „Kinder im Exil“ statt. Die neunzigminütige Veranstaltung richtet sich an interessierte Familien, aber auch Lebensgemeinschaften, ältere Singles und Ehepaare. PIB klärt dort unverbindlich darüber auf, was auf Eltern in einem Pflegeverhältnis zukommt. Der Infoabend findet in der Bahnhofstraße 28–31 statt.

„Im Unterschied zu jüngeren Pflegekindern ist das Generationenverhältnis bei den Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 19 Jahren nicht so dringlich“, erklärt Eva Rhode von PIB. In Frage kämen daher neben Familien auch Lebensgemeinschaften und ältere Singles für die Aufnahme der „Kinder im Exil“, wie Rhode die in Behördendeutsch „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“ titulierten Jugendlichen nennt. Wichtig sei, „dass man gut mit Jugendlichen könne“, so Rhode.

Eine Fortbildung an mehreren Wochenenden qualifiziert angehende Pflegeeltern und hilft, ihre Rolle zu reflektieren. Dort wird von vornherein über Schwierigkeiten und mögliche Missverständnisse aufgeklärt. „Traumatisierte Menschen können Familien überfordern“, erklärt Rhode, „aber wir stehen als Fachdienst zur Seite.“

Das Programm läuft seit vier Jahren. Viele Familien nähmen inzwischen mehr als einen Jugendlichen auf und sprächen von einer „Win-Win-Situation“, sagt Rhode: „Den Jugendlichen hilft das Alltagsleben in den Familien, das Leben in Deutschland zu verstehen.“

Andersherum würden Eltern und Geschwister durch die kulturelle Bereicherung profitieren, so Rhode. In Vergangenheit seien die ehemaligen Pflegefamilien für „Kinder im Exil“ oftmals ein Anker in Deutschland geblieben. Der Kontakt hielt auch nachdem die Jugendlichen mit Erreichen der Volljährigkeit bei den Familien wieder ausgezogen waren, sagt Rhode.

Derzeit leben 19 „Kinder im Exil“ in Bremer Pflegefamilien. Die jungen Flüchtlinge ohne Eltern durchlaufen nach ihrer Ankunft in Bremen zunächst ein Clearing-Verfahren, bei dem sie unter psychologischer Betreuung eine Lebensperspektive entwickeln (taz berichtete). Einige wünschen sich, in Familien unterzukommen, woraufhin die Clearing-Stelle die Jugendlichen an die PIB zuweist.

Bremen nimmt derzeit überdurchschnittliche viele elternlose Flüchtlinge auf. Im Unterschied zu volljährigen Asylbewerbern werden diese nicht auf die Bundesländer verteilt.

Die öffentliche Debatte um vereinzelt kriminell gewordene minderjährigen Flüchtlinge hat laut Rhode die beteiligten Pflegefamilien und Jugendlichen regelrecht empört: Sie fühlten sich durch den öffentlichen Diskurs angegriffen und gestört. Viele der jungen Flüchtlinge finden sich Rhode zufolge gut zurecht und haben beispielsweise Ausbildungen begonnen.  GJO

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