: Die Macht der Firmen
FREIHANDEL Laut Studie schränken sich Regierungen mit dem geplanten Ceta-Abkommen selbst ein
BERLIN taz | Zunächst geht es nur um Erkundungslizenzen, die die prinzipiell Fracking-freundliche Regierung an einen ausländischen Konzern vergibt. Im Gespräch deutet sie aber an, dass eine Bohrlizenz nicht lange auf sich warten lassen werde, wenn die Tests erfolgreich sind. Dann kommen Proteste, kritische Gutachten. Die Regierung stoppt das Vorhaben – und sieht sich mit Forderungen in dreifacher Millionenhöhe konfrontiert, die der Konzern über ein privates Schiedsgericht eintreiben will.
So etwas könnte demnächst überall in der EU passieren, wenn ihr Freihandelsabkommen mit Kanada, Ceta, ratifiziert wird. Grundlage dafür ist die Klausel „Gerechte und billige Behandlung“ im Kapitel „Schutz für ausländische Investitionen“. In der Studie „Verkaufte Demokratie“, die am Mittwoch von 15 europäischen und kanadischen Verbänden vorgestellt wird, bezeichnet Mitautorin Pia Eberhardt von Corporate Europe Observatory sie als den „gefährlichsten Standard“ im Vertrag.
Sie kann so gedeutet werden, „dass Investoren das Recht auf einen stabilen regulatorischen Rahmen haben“, so Eberhardt. Das hieße, dass Regierungen in ihrer politischen Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt würden. Denn das Risiko von Klagen ist groß. Zumal sich bereits eine umfangreiche Kanzleiszene aufgestellt hat, die die Konzerne vertritt. Die europäischen Länder müssen vor allem mit Klagen aus dem Bergbau-, Öl- und Gassektor rechnen, der für seine Klagewut bekannt ist und für jede dritte Investor-Staat-Klage verantwortlich zeichnet. Potenzielle Kläger sind absehbar: etwa der Rohstoffkonzern Gabriel Ressources, der eine umstrittene Goldmine in Rumänien betreibt. Oder das Bergbauunternehmen Edgewaters, dem die galizische Regierung nach Protesten von Umweltschützern kürzlich seinen Tagebau dichtmachte.
Kanada dagegen muss vor allem die europäischen Banken fürchten. Während der Finanzsektor in früheren Abkommen nur bei Enteignungen oder Einschränkungen des Kapitalverkehrs klagen durfte, kann er sich jetzt ebenfalls auf den Grundsatz der „gerechten Behandlung“ berufen und als Investitionen auch spekulative Anlagen oder Staatsanleihen geltend machen.
Ceta markiere einen „Scheidepunkt des Investitionsrechts“, ist das Fazit der Studie. Dabei gebe es Alternativen: So kämen die USA und Japan sowie Japan und Australien in ihren Freihandelsabkommen ohne die umstrittenen Investor-Staat-Klagen aus. Länder wie Südafrika hätten ihre nationale Gesetzgebung, die die Konzerne als zu unsicher betrachtet hätten, an westliche Standards angepasst. Und für Investoren gebe es Risikoversicherungen. BEATE WILLMS