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Archiv-Artikel

KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Der Regen über Berlin. Graue Wolken am Himmel und überall Pfützen. Statt wie die anderen um die nassen Lachen herum zu tippeln, hat Mirja Busch ein fotografisches „Pfützenarchiv“ von 2.200 Exemplaren angelegt, aufgenommen von London bis Buenos Aires. Die Galerie cubus m zeigt eine Auswahl, darunter Berliner Exemplare: Markante Bodenbeläge Ostberlins lassen sich hier erraten, abstrakte Spiegelungen umliegender Architektur erkennen. Busch spielt mit dem Aufeinandertreffen verschiedener Topografien: Asphalt, Pflastersteine, Beton. Viele Pfützen scheinen sich vom Boden abzuheben. Busch ist daran interessiert, „den Raum zum Kippen zu bringen“, und das gelingt. Durch ihre geometrische Anordnung erlangen die Fotos eine eigene Materialität. Busch nimmt die Pfützen so ernst, dass sie sie mit einer Kinderspritzpistole aufgesaugt und in Flaschen gesammelt hat, um Volumen und Farbigkeit zu testen. Je nach Herkunftskontext wie Spielplatz oder Industriegebiet nehmen die Pfützen bis zu 10 Flaschen ein. Dasselbe Wasser verhält sich in jeder Flasche unterschiedlich, wird dunkel oder bleibt durchsichtig. Wieder anderes erzeugt einen orangen Bodensatz, der aussieht wie eine Fantasie-Unterwasserwelt (Pohlstr. 75, Mi.–Fr. 14–19, Sa. 11–19).  Wo kommen Pfützen her? Aus Wolken. Und genau die hat Adrian Sauer in „Form und Farbe“ als großformatige Fotoarbeiten in der Galerie KLEMM’S ausgestellt. Zunächst fällt nicht auf, dass es sich um Paare handelt. Die gleiche Wolkenformation ist so unterschiedlich bearbeitet, dass sie mal in romantischen Lilatönen, mal in gleichmütigen Grautönen am Himmel schwebt. Tatsächlich benutzt Sauer eine Technik, mit der er einen Bildausschnitt auf eine perfekte Graumischung festlegt (im 50/50 Verhältnis von Schwarz und Weiß), zu dem alle anderen Farben ins entsprechende Verhältnis gesetzt werden. Hier entsteht ein fantastisches Spiel zwischen farblicher Künstlichkeit und Formästhetik. Dazu ein literarischer Beitrag aus Heike Geißlers fiktiven Berufsprotokollen. In „Teil 21“ schildert ein Himmeldarsteller, mit welcher Arbeitsphilosophie er an Filmsets den Himmel darstellt: Nicht etwa per Kostüm, sondern durch seine innere Einstellung als „Gegenhimmel, der sich nicht aufdrängt“. Selbst der Boden der Galerie wirkt in der Präsenz von Sauers Arbeiten wie ein riesiger aufgerissener Himmel voller grüngrauer Schlieren (Prinzessinnenstr. 29, Di.–Sa. 11–18). Und wer gerade aus dem Pfützenarchiv kommt, sieht plötzlich Busch vor sich, die noch die letzten Reste ihrer Pfützen per Schwamm aufgewischt hat, um sie zu konservieren. Ein herrliches Schauspiel. Der Regen kann kommen.