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Russland hegt Bedenken wegen Blair

Auf dem ersten Treffen seit der Machtübernahme von Hamas in Gaza erörtern UNO, USA, EU und Russland die Ergebnisse des Gipfels in Ägypten – Russen haben Vorbehalte gegen die neue Rolle des scheidenden britischen Premiers als Sondergesandter

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Bei einem ersten Treffen des Nahost-Quartetts ist die geplante Ernennung des scheidenden britischen Premiers Tony Blair zum Sondergesandten vorerst am Widerstand der russischen Delegation gescheitert. Die Vertreter von UNO, USA, EU und Russland hatten in Jerusalem über Blairs Mandat verhandelt und angekündigt, in dieser Sache am späten Dienstagabend noch mal zusammenkommen zu wollen. Vorrangig geht es dabei um die Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde bei ihren internen Reformen.

Der Gipfel am Montag war ein Erfolg für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, und doch verließ er Scharm al-Scheich weniger euphorisch als alle anderen Teilnehmer. Zwar entsprach Israels Premierminister Ehud Olmert den Erwartungen, als er nicht nur den schrittweisen Transfer von 600 Millionen Dollar an die Palästinensische Autonomiebehörde versprach, sondern auch Reiseerleichterungen, eine Gefangenenamnestie und neue Waffen für die palästinensischen Sicherheitskräfte. Doch diese Gesten zielen allein auf das Westjordanland, während Abbas sich unverändert als Präsident aller palästinensischen Gebiete betrachtet. Seine Partei Fatah kappte alle Kontakte zur Hamas, nicht jedoch zum Gaza-Streifen.

„Das Westjordanland einschließlich Ostjerusalem und der Gaza-Streifen sind eine geografische Einheit, die nicht getrennt werden kann“, betonte Abbas in seiner Schlussrede. „Das palästinensische Volk bleibt vereint.“ Rund 40.000 zumeist der Fatah angehörenden Mitarbeiter der Autonomiebehörde leben in Gaza. Sobald sich die Haushaltskassen wieder füllen, werden auch sie ihre seit eineinhalb Jahren ausstehenden Gehälter in Empfang nehmen. Für die Israelis hingegen wird der Gaza-Streifen seit dem Abzug im August 2005 nur dann wichtig, wenn von dort aus Raketen abgeschossen werden. „Ich werde die humanitäre Hilfe für die palästinensische Bevölkerung im Gaza-Streifen fortsetzen“, kündigte Olmert an. Strom, Wasser, Medikamente und Nahrungsmittel sind weiterhin aus Israel zu erwarten. „Wir haben nicht die Absicht, die Bevölkerung dafür zu bestrafen, dass sie von einer terroristischen Organisation regiert wird.“ Ob Olmert indes den Gaza-Streifen gedanklich in den geplanten Friedensprozess einbezieht, bleibt unter diesen Bedingungen fraglich.

Der israelische Premier sprach explizit von der „neuen Regierung“ als Partner und betonte sein Vorhaben, der Bevölkerung in „Judäa und Samaria“, also im Westjordanland, „Bewegungsfreiheit“ zu ermöglichen sowie die wirtschaftliche Kooperation „mit Judäa und Samaria“ zu intensivieren. Als Geste des guten Willens kündigte Olmert die Entlassung von 250 palästinensischen Häftlingen an, die alle der Fatah angehören und „kein Blut an den Händen haben“, also nicht unmittelbar an Terroraktionen beteiligt waren.

Die Amnestie hat nichts mit der Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit zu tun. „Der Weg zu Schalits Befreiung führt nicht über Abbas“, kommentierte Olmert. Die Hamas hatte den Soldaten vor einem Jahr in den Gaza-Streifen verschleppt und ist bereit zu einem Tausch gegen mehrere hundert namentlich genannte Häftlinge. Frühere Verhandlungen, bei denen Ägypten vermittelt hatte, waren mit Ausbruch der Unruhen in Gaza eingestellt worden.

Diese Woche signalisierte die Hamas ihre erneute Bereitschaft zu einem Handel, als sie eine Audioaufnahme ihrer Geisel veröffentlichte. Sollte es zu einem Austausch kommen, wäre der Hamas ein Schritt aus ihrer derzeitigen Isolation heraus gelungen. Zudem könnte sie innenpolitisch ihre Position stärken, wenn sie die Freilassung palästinensischer Häftlinge erwirkt. Der „Militärputsch“, wie Abbas die blutigen Konflikte in Gaza bezeichnete, hatte die Hamas zusätzlich ins internationale Abseits und in die Kritik von arabischen Nachbarstaaten gebracht.

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