: Diese Inszenierung bitte auf Rezept!
THEATER Man kann das Puppentheaterstück „Über den Klee“ und seine MacherInnen, allen voran aber Mario Homann, den Regisseur und Puppenbauer, nur über den grünen Klee loben
VON LEA STREISAND
Es gibt Theaterinszenierungen, die müsste man auf Rezept kriegen. Die machen einen so froh, wenn es Menschen wären, würde man sie vom Fleck weg heiraten. Weil das nicht geht, muss man auf die Wiederaufnahme der Inszenierungen warten oder sich erinnern, wie schön es war.
Vor fünf Jahren habe ich das Puppentheaterstück „Über den Klee“ das erste und letzte Mal gesehen. Es ist ein allegorisch-biografisches Stück über den Maler Paul Klee. Mit Handpuppen, die dieser selbst gebaut hat als Geschenk für seinen Sohn Felix. Ich erinnere mich, dass eine Puppe, die den Künstler selbst darstellt, darin die Hauptrolle spielt, und dass sie, wenn sie ein neues Bild gemalt hat, das Ergebnis voller Stolz dem Puppentheaterpublikum präsentiert und mit dem schönsten schweizerdeutschem Akzent sagt: „Ich find’s gut!“
„Der wusste schon, was er kann, der Paul Klee“, bestätigt der Regisseur Mario Homann. Wir sitzen in seiner Küche in Prenzlauer Berg. Ein Chili con Carne köchelt auf dem Herd. Auf dem Tisch steht der Container aus Metall, in dem die Puppen lagern. Nicht die Originale natürlich. „Die liegen eingewickelt in säurefreiem Papier in luftdichten Kisten in den heiligsten Tiefen des Zentrums Paul Klee in Bern“, sagt Homann und gießt Mineralwasser in die Pfanne. Lärm dringt aus dem Kinderzimmer. Repliken von 11 der 20 noch existierenden Puppen haben die Kuratoren der Ausstellung damals anfertigen lassen, 20 Prozent größer als die für Kinderhände und Kinderzimmervorführungen angefertigten Originale. Die Puppenspielerinnen Melanie Sowa und Friederike Krahl wurden dann eingeladen, mit den Repliken in der Ausstellung in Bern zu improvisieren. Aus der Improvisation entstand die Idee, das Stück zu entwickeln, das dann auch im Rahmen der Ausstellung „Das Universum Klee“ in der Neuen Nationalgalerie aufgeführt wurde.
Behutsam holt der Mario Homann die Puppen aus der Kiste. Homann ist selbst Puppenbauer, er hat die Puppenbau Berlin mitbegründet, aus deren Werkstatt auch Michael Hatzius’ berühmte Echse stammt. Bis ins kleinste schluderige Detail sind die Kleepuppen den Originalen nachgebildet. Ein paar grob zusammengenähte Stofffetzen sind die Kleider. In den Puppengesichtern stehen Zähne aus Zwirnsfaden, so klein, dass nur der Spieler sie erkennen kann, Felix Klee, das Einzelkind, Publikum und Puppenspieler in Personalunion.
Ob es schwer ist, mit so simplen Puppen zu spielen, frage ich Mario Homann. „Nein, gar nicht“, sagt Homann, „im Gegenteil. Die Animation wird immer schwieriger, je komplexer eine Figur gebaut ist. Wenn die Puppe aussieht wie wir, wird auch erwartet, dass sie sich bewegt wie wir. Diese Puppen sehen aus wie abstrakte Basteleien, die dürfen auch in der Bewegung sehr abstrakt sein.“
In der größten Puppe hat Klee sich selbst portraitiert mit riesigen aufgemalten Augen rechts und links am Kopf und einem Tweedmantel aus Flicken, aber ohne Arme. Ein Schlüsselring ist am Saum des Gewands befestigt, da muss der Puppenspieler seinen Daumen durchstecken und so dem Künstler die ganze Hand leihen. Paul Klee hat jede Puppe anders gebaut. Die Künstlerpuppe zum Beispiel hat einen Rinderknochen im Kopf. „Den sieht man von außen gar nicht“, sagt Homann, „der hat auch keine Funktion.“ Aber er bekommt plötzlich eine Bedeutung, wenn man weiß, dass Klee später an Sklerodermie erkrankte, einer Verknöcherung der Haut und der inneren Organe.
Der Tod war Klees eigene Lieblingspuppe. Er ist ganz klein und hat riesige schwarze Kulleraugenhöhlen. Klees Tod erinnert in seinem weißen Gewand eher an ein niedliches Gespenst. Ganz anders Frau Tod, eine strenge Dame mit plattem Gipsgesicht, die ihren Gatten um mindestens einen Kopf überragt. Viele allegorische Figuren sind dabei wie „die Idee“, eine Frau im Blümchenkleid mit Mausgesicht und einem Zopf aus langen schwarzen wollenen Haaren, die sie sich mit dramatischen Schwung um den Körper wickeln kann.
Die Verbindung von Ironie und Mystik, von Gegenständlichkeit und Abstraktem, die die Faszination von Klees Bildern ausmacht, spricht auch aus den Puppen. Die Reproduktionen von Klees Bildern kann man heute in jedem Kiosk als Postkarte kaufen. Seine Handpuppen kann man heute, morgen und übermorgen noch mal in der Schaubude erleben.