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Archiv-Artikel

Nobelbaracke droht Abriss

FLÜCHTLINGE Erst im März wurde das Heim in der Haarlemer Straße eröffnet. Doch schon in einem Jahr soll es wieder abgerissen werden – weil der Senat das Grundstück nicht kauft

„Dass die millionenteuren Blöcke auf die Kippe kommen sollen, ist unfassbar“

BERND SZCZEPANSKI, STADTRAT

VON ALKE WIERTH

„Steuerskandal“ und „Millionenverschwendung“: Der Neuköllner Sozialstadtrat Bernd Szczepanski (Grüne) gerät hörbar in Rage, wenn er von den Senatsplänen für das Flüchtlingsheim in seinem Bezirk spricht.

Die erst im März eröffnete Unterkunft an der Haarlemer Straße im Bezirksteil Britz hat wohl von Anfang an kaum jemandem Freude gemacht. AnwohnerInnen klagten vor Fernsehkameras über die Ortswahl für das Flüchtlingsheim: „Doch nicht hier, wo Menschen wohnen!“

Die Flüchtlinge wiederum dürften in dem mit erheblichen Baumängeln eröffneten Heim nicht gut aufgehoben gewesen sein. Und auch der Senat musste eine dicke Kröte schlucken: Baukosten, die sich von geplanten 5,5 auf mehr als acht Millionen Euro erhöhten – und das für gleich nach Bezug schimmelnde Leichtbauten.

Doch es sind nicht die Baumängel, die Szczepanski aufregen: Die könne man beseitigen. Und die anfängliche Ablehnung mancher Anwohner habe sich längst verflüchtigt oder gar ins Gegenteil verkehrt. Was den Grünen wütend macht, ist die Tatsche, dass der teure und dringend benötigte Gebäudekomplex in einem Jahr wieder abgerissen werden soll.

Dabei sei der Eigentümer des Grundstücks, der Möbelhändler Kurt Krieger, der das Gelände für das Heim derzeit kostenlos zur Verfügung stellt, bereit, die Fläche an das Land Berlin zu verkaufen: „Eine gute Lösung“, meint Szczepanski. Dann könne man auf dem 6.000 Quadratmeter großen Gelände sogar einen weiteren Gebäuderiegel bauen, so der Sozialstadtrat: „Wir haben einen wachsenden Bedarf an Unterkünften für Flüchtlinge. Dass vor diesem Hintergrund die millionenteuren Blöcke hier auf die Kippe kommen sollen, ist unfassbar.“

Er habe den für die Flüchtlingsunterbringung zuständigen Sozialsenator Mario Czaja (CDU) auf Kriegers Angebot hingewiesen, so Szczepanski. Der Bezirk sei sogar bereit, die Verhandlungen für den Senat zu führen. Reagiert habe der Senator nicht.

Czaja musste sich am Montag im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses deswegen Fragen der Opposition stellen. Erst auf Drängen der Piraten gab Czaja zu, von den „Gerüchten“ um Kriegers Verkaufsangebot gehört zu haben. Seiner Verwaltung sei das Grundstück aber nicht zum Kauf angeboten worden. Gefragt, ob es stimme, dass Finanzstaatssekretär Klaus Feiler Krieger bereits eine schriftliche Absage erteilt habe, sagte Czaja: „Ich kenne diesen Brief nicht.“

Möbelhändler schweigt

Von Möbelhändler Krieger selbst gibt es keine Bestätigung der „Gerüchte“: Man äußere sich „grundsätzlich nicht zu eigenen Grundstücksaktivitäten“, heißt es aus dessen Pressestelle. Und die Senatsverwaltung für Finanzen teilt auf taz-Nachfrage mit, „die Frage eines Ankaufs des Grundstücks an der Haarlemer Straße“ stelle sich aus ihrer Sicht gar nicht.

Dass es sinnvoll sei, die teure Einrichtung länger zu betreiben, darin ist sich der Sozialsenator immerhin mit Sozialstadtrat Szczepanski einig: Er verhandele derzeit über eine entsprechende Vertragsverlängerung, teilte Czaja am Montag im Sozialausschuss mit.