JEAN PETERS POLITIK VON UNTEN
: Gib mir Kohle, ich geb dir Glück

Eine neue Spezies steigt aus dem Wasser, um den Lauf der Geschichte zu pimpen: der Sozialentrepreneur

Der Homo socialis moneymoney (neudeutsch: Social Entrepreneur; deutsch: Unternehmer mit sozialem Anspruch) gehört zu einer soziokulturellen Spezies, die Gutmenschentum mit Profitsteigerung kombiniert. Er kommt meist aus höheren Bildungsschichten mit ausreichend finanzieller Absicherung, beschreibt sich als innovativ-pragmatisch und pflegt ein lösungsorientiertes Grinsen. Sein Mehrwert besteht in dem Ansatz, soziale Probleme unternehmerisch zu lösen, und bedient sich dabei der Attribute „Passion“ und „Authentizität“. Den emotionalen Herausforderungen ständiger Effizienzbereitschaft und maximaler Flexibilität begegnet er mit Naturkost, Autosuggestion, Wellness- und Yoga-Modulen.

Geschichte: Die historischen Wurzeln des Sozialunternehmers sprießen aus drei der erfolgreichsten und nachhaltigsten sozialen Bewegungen der Menschheit: der bürgerlichen Bewegung vor 200 Jahren, der sozialdemokratischen Bewegung vor etwa 100 Jahren und der liberalen Individualisierung vor etwa 40 Jahren. Die Umwelt- und Frauenbewegungen hat sich der Sozialentrepreneur projektorientiert einverleibt. Das Bürgertum (orthodoxdeutsch: Klassenfeind, neudeutsch: Establishment) bildet die Basis seiner kulturellen Produktionsmittel. Eigentumsrecht und die Intransparenz von Machtgefügen prägen dementsprechend die moralische Verteidigung seines ökologisch-biologisch abbaubaren Solarporsches.

Seine Geisteshaltung orientiert sich weitgehend am Erfolg der Sozialdemokratisierung seit der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert, wobei er die Wohlfahrtsarbeit seit dem Zusammenbruch der Partei lieber allein macht. Dieser liberale Individualisierungsfetisch stammt aus den Siebzigern und rundet die Einstellung des Homo pecuniae pro communi mit einer Prise Micro-Leaderships ab (deutsch: Kleinführertum). Manche Lifestyle-Auswüchse unterstreichen das auch gern mit vegan gehäkelten Schuhen und fair gehandelten Praktikantinnen (siehe: Lohas).

Kritik: Der deutsche Philosoph Erich Mühsam prognostizierte schon 1907 das Aufkommen einer neuen Spezies, als er vom sozialdemokratischen, innovativen „Revoluzzer“ schrieb, der erklärt, „wie man revoluzzt / und dabei noch Lampen putzt.“ Auch der Sozialentrepreneur bemüht sich um das Strahlen sogenannter Leuchttürme (siehe: Elite) und summt dabei Margaret Thatchers „Thä is nö Alternative“. Kritiker unterstellen ihm eine Unfähigkeit, Lampen und Leuchttürme zwecks des Barrikadenbaus aus dem Straßenpflaster zu rupfen.

Der Autor ist Clown und politischer Aktivist Foto: S. Noire