: Mit Bäumen spekuliert sich’s schlecht
GRUNEWALD DES JAHRES
Wer im Herbstlaub, sagen wir vom Schlachtensee zur Havelchaussee, durch den Grunewald streift, denkt vielleicht an die Mütze, die er vergessen hat. Vielleicht auch an Hans-Ulrich Treichels herrlich lakonischen Roman „Grunewaldsee“, in dem man das Westberlin der achtziger Jahre förmlich schmecken konnte. Nie aber würde einem der Zweckverband Groß-Berlin oder der preußische Staat in den Sinn kommen. Sollten sie aber, denn ohne die beiden hätte es der Grunewald nicht zum „Wald des Jahres 2015“ geschafft.
Wir schreiben das Jahr 1904. Ganz Berlin ist von Immobilienspekulanten bevölkert. Selbst in Charlottenburg und rund um die Villenkolonie Grunewald, die damals noch nicht zu Berlin gehörten, sind die Terraingesellschaften zu Gange, kaufen Land, parzellieren es, verkaufen es an Bauträger, die wiederum Mietskasernen oder Villen errichten.
In dieser Situation entschließen sich zwei Berliner Zeitungen zu einer Aktion. Bald werden dem Preußischen Königshaus 30.000 Unterschriften überreicht. Das Ziel: Stopp der Bodenspekulation und eine Sicherung des Waldgebiets durch Verkauf an den Zweckverband Groß-Berlin. Eine Art erstes Ringen um eine gemeinwohlorientierte Liegenschaftspolitik also.
Am 17. März 1915 ist es soweit. Im so genannten Dauerwaldvertrag erwirbt der Zweckverband 10.000 Hektar Wälder in Grunewald, Köpenick, Grünau und Tegel vom Preußischen Staat. Der Berliner Senat hat den Vertrag 1979 mit dem Landeswaldgesetz noch einmal bestätigt. Seit hundert Jahren also gilt: Der Wald ist in Berlin wichtiger als der Profit. Für die Entscheidung, den Grunewald 2015 zum Wald des Jahres zu küren, spielte das eine nicht unwesentliche Rolle.
Daran sollte man denken beim nächsten Spaziergang an den Grunewald. Eine andere Liegenschaftspolitik ist möglich. Und schön ist sie auch. Danke, ihr ersten Umweltschützer. Und danke, Preußen. UWE RADA