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Archiv-Artikel

Herz der Kommunikation

Wie sicher sind Handys? Fünf Betriebssysteme im Vergleich

Langsam, aber sicher

Auf dem Computer ist Firefox hierzulande immer noch der beliebteste Browser. Seit einer Weile gibt es von der Mozilla Foundation, die mit vielen ehrenamtlichen Programmierern zusammenarbeit, auch ein quellenoffenes Handy-Betriebssystem.

Von den Anlagen her ist Firefox OS prädestiniert für eine große Vielfalt an Apps, da sie in der Programmiersprache HTML5 geschrieben sind, dem neuen Multimedia-Standard von Webseiten. Die Auswahl ist aber noch sehr überschaubar.

Eigentlich ist Firefox OS auch gar nicht unbedingt für klassische Apps ausgelegt. Denn jede mobile Webseite soll als App funktionieren. In der Praxis läuft es aber weniger geschmeidig als bei solchen Apps, die speziell für das entsprechende Betriebssystem entwickelt wurden. Da das Handy deswegen weniger Leistung braucht, läuft Firefox OS auch auf einfacheren, billigeren Mobiltelefonen. Firefox-OS-Handys zielten deshalb bislang vor allem auf die Märkte der Entwicklungs- und Schwellenländer. Seit gut einem Jahr werden sie aber auch in Deutschland angeboten.

Was Sicherheit und Datenschutz angeht, hat Firefox OS sinnvolle Eigenschaften. So lässt sich etwa für eine Diktiergerät-App einstellen, dass sie nur auf das Mikrofon zugreifen darf und nicht auch auf die Kamera. Einen Vorteil bietet auch die sehr geringe Verbreitung von Firefox OS: Viren oder Trojaner dürfte man sich damit nicht einfangen. Es lohnt sich einfach nicht, diese zu programmieren.

Geeignet für: Preisbewusste, die nicht zu anspruchsvoll sind

Marktanteil: deutlich weniger als 1 Prozent

Zu haben bei: www.mozilla.org

VON SVENJA BEDNARCZYK, SVENJA BERGT und SEBASTIANERB

Das Smartphone ist immer dabei, häufig nicht einmal nachts ausgeschaltet, und es trägt das halbe Leben seines Besitzers in sich: Kontakte, Termine, Notizen, Musik, E-Mails, Fotos, Passwörter. Hundert Minuten täglich schauen die Deutschen im Schnitt auf den Bildschirm ihres Smartphones. Aber das Herz, das hinter den Apps und Widgets pulsiert, das bleibt im Dunkeln. Es ist das Betriebssystem, die Schnittstelle zwischen Hard- und Software, die dem Nutzer Möglichkeiten eröffnet oder einschränkt, in aller Stille die Prozesse kontrolliert, steuert und verwaltet und mitunter genauso still persönliche Daten an den Hersteller schickt.

Solange das Betriebssystem seinen Dienst verrichtet, kümmern sich die meisten Handynutzer nicht darum. Im Prinzip ist es wie beim Herz: Erst bei Überlastung, Altersschwäche oder Virusinfektion gerät es ins Stottern. Und dann stellt sich der Benutzer Fragen: Was genau läuft da eigentlich im Hintergrund? Warum lässt sich das nicht einfach austauschen, wenn es mir nicht passt oder es nicht mehr richtig funktioniert?

Das Betriebssystem für Smartphones ist aber noch viel mehr als nur das Herz. Es ist auch eine Art Käfig. Ein Käfig deswegen, weil das System den Nutzern beim Kontakt mit der Außenwelt ein gewisses Maß an Schutz gewährt, sie dabei aber bevormundet, ihre Selbstbestimmung und ihre Freiheit einschränkt. Je nach System mal mehr, mal weniger.

Doch immer gilt: Im Unterschied zum Notebook oder zum stationären Rechner lässt es sich beim Smartphone oder Tablet nicht einfach wählen. Gerät und Software sind aneinandergebunden. Sowohl dem Hersteller des Betriebssystems als auch dem Geräteproduzenten ist damit eine größere Kontrolle über den Nutzer gewährleistet.

Es entsteht ein Kreislauf: Da die Hersteller ihre Smartphones so unterschiedlich konstruieren, dass es eben ganz spezifische Betriebssysteme braucht, gibt es nur wenige alternative Angebote. Und weil das Angebot an frei installierbaren Systemen so gering ist, nutzen es nur wenige, was wiederum die Entwicklung unattraktiv macht.

Individualität mit Privatsphäre

Ungenutzte Programme, die Speicherplatz fressen, aber sich nicht löschen lassen, Startmenüs, die nicht dem eigenen Geschmack entsprechen, und ungestopfte Sicherheitslücken – all das lässt sich mit sogenannten Custom ROMs lösen. Custom ROMs sind alternative Betriebssysteme, die unter anderem aus offengelegten Android-Quelltexten gebaut werden und nicht von den Geräteherstellern selbst stammen. Mit ihnen werden Nutzer Funktionen los, die ihnen nicht gefallen, und bekommen mehr Möglichkeiten, das System nach ihren eigenen Vorstellungen zu konfigurieren. Zum Beispiel können App-Anwendungen strenge Regeln auferlegt werden, sodass diese keinen Zugriff mehr auf persönliche Daten haben.

Das bekannteste Custom ROM ist Cyanogenmod. Es läuft auf über 200 Smartphone- und Tabletmodellen und auch Funktionen wie Kamera, Radio, GPS oder WLAN machen keine Probleme. Der Preis dafür ist jedoch, dass Softwareanteile anderer Hersteller dabei sind. Daher empfiehlt die Free Software Foundation eine Alternative namens Replicant. Diese hat den Nachteil, dass es zu Problemen mit Kamera oder WLAN kommen kann, weil sie mit dem System nicht kompatibel sind. „Nutzer sind in der Praxis gezwungen, sich zu entscheiden, was ihnen wichtig ist“, sagt daher Karsten Gerloff, Vorsitzender der Free Software Foundation Europe. Privatsphäre oder Bequemlichkeit, Kontrolle oder Funktionalität.

Die Gerätehersteller tun alles, um Nutzern die Installation eines solchen alternativen Betriebssystems auszureden. Sie drohen beispielsweise damit, dass bei Installation eines anderen Betriebssystems die Garantie nicht mehr gewährleistet sei.

Geeignet für: technisch mindestens halbwegs Versierte

Marktanteil: weit unter 1 Prozent

Zu haben bei: www.cyanogenmod.org; www.replicant.us

Oberflächlich betrachtet ist es auch gar nicht schlimm, im Handykäfig zu leben. Meist ist er bunt und schön, gut ausgebaut und leicht bedienbar. Es gibt keinen Anlass auszubrechen. Wer kriegt schon mit, dass unter der Decke ein paar Abhöranlagen installiert sind, die dem IT-Konzern Standorte und in die Spracherkennung gesprochene Nachrichten schicken, Updates selten sind und Sicherheitslücken nicht geschlossen werden?

Aus den Reihen des Chaos Computer Clubs gibt es die Forderung nach einem eigenen europäischen Betriebssystem, finanziert aus Steuergeldern. Nur so könne sichere Kommunikation gewährleistet werden. Die Entwicklung allerdings würde Jahre dauern. Andere setzen ihre Hoffnung in Ubuntu Touch, die kleine Schwester der Linux-Version, die als PC-Betriebssystem viele Fans hat. Eine Testversion gibt es schon, aber noch keine Handys, auf denen sie läuft.

Systeme, die sich frei installieren lassen, und ein altes, leistungsschwaches Telefon wieder schnell machen gibt es aber. Und auch solche, die dem Nutzer ausdrücklich verraten, was unter der Oberfläche läuft. Etwa, wenn ein IMSI-Catcher sich mit dem Telefon verbinden will, mit dem Strafverfolger Geräte identifizieren können. Die Alternativen sind weniger bequem, aber sie sperren den Benutzer erst gar nicht in einen Käfig. Wollen Sie es eher bequem statt geschützt? Wollen Sie lieber mehr Kontrolle als Funktionalität? Lesen Sie hier, welches System ihren Bedürfnissen am nächsten kommt.