: Der Welfenschatz und sein Resonanzboden
MUSEEN Zuwachs durch Damenkleider. Das Berliner Kunstgewerbemuseum am Kulturforum öffnet neu
Ausgerechnet das bei seiner Eröffnung 1985 als hässlichstes Gebäude Westberlins geschmähte Kunstgewerbemuseum schickt sich jetzt an, zum Tempel des guten Geschmacks zu werden. Sabine Thümmler, seit 2010 Direktorin des Museums, hat dem vom Architekten Rolf Gutbrod in den sechziger Jahren entworfenen bunkerartigen Gebäude eine innere Neuorganisation verordnet.
Nach dreijähriger Umbauphase kommt jetzt vor allem eine Modeabteilung dazu. Daneben gibt es wie ehedem Kunsthandwerk vom Mittelalter bis zur Renaissance und modernes Design vom Jugendstil bis zur Gegenwart. Trotz des Zuwachses durch die rund 130 Damenkleider hat die Zahl der Objekte im Haus eher abgenommen. Die Highlights sind weiterhin die mittelalterliche Reliquiare des Welfenschatzes und das Lüneburger Ratssilber aus dem 16. Jahrhundert.
„Weniger ist mehr“ ist auch Leitmotiv für die Raumkonzeption des Berliner Architekturbüro Kühn/Malvezzi. Mit neu eingezogenen Leichtbauwänden haben sie allerdings die bisherige Transparenz um die zentrale Freitreppe im Inneren des Museums beseitigt. Hinter kahlen Wänden befinden sich nun sauber getrennte Sammlungen. Die Mode mit ihren noblen Modellkleidern der Haute Couture ab circa 1850 begegnet dem Publikum in schaufensterartigen Kabinetten. Das moderne Möbeldesign (Mies van der Rohe, Verner Panton) hat sich meist in zimmergroße Kabinette zurückgezogen.
Ein Reich des Schönen will das Kunstgewerbemuseum sein, weil „schöne Dinge glücklich machen“, so Thümmler.
Doch der Kult des Schönen hat auch eine profane Seite. DasMuseum sieht sich nun wieder, ähnlich wie zur Gründung 1868, als „Schnittstelle zur Kreativwirtschaft“ im Sinne einer Vorbildsammlung. Der französische Jugendstil kommt so wieder prominent zur Präsentation, da das Kunstgewerbemuseum auf der Pariser Weltausstellung von 1900 in großem Stil das Beste vom Besten kaufte. In puncto Mode heißt das heute für das Museum: „Historisch herausragende Objekte können ein guter Resonanzboden für die Vermarktung der Modestadt Berlin sein“. RONALD BERG