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Archiv-Artikel

Die Beretta in der Vitrine

ZEITGESCHICHTE Die RAF-Schau im Berliner Deutschen Historischen Museum ist ein Anfang, mehr aber auch nicht

Dialektik ist eine schöne Sache: Einerseits ist es gut, dass es jetzt bis 8. März eine Ausstellung über die Rote Armee Fraktion (RAF) im Deutschen Historischen Museum gibt. Jüngere sind bei der Überlieferung zumeist auf Bücher oder Actionfilme wie „Der Baader-Meinhof-Komplex“ angewiesen. Andererseits scheint es zu früh für eine historische Ausstellung über die RAF. Noch laufen Ermittlungsverfahren gegen frühere RAF-Mitglieder, die RAF-Morde an Alfred Herrhausen, den Chef der Deutschen Bank, und anderen sind nicht aufgeklärt. Und noch neigen die einstigen Akteure beider Seiten zum Schweigen oder Moralisieren – was nicht erkenntnisfördernd wirkt.

Die Ausstellung „RAF – Terroristische Gewalt“ bietet einige Originaldokumente der RAF. Auch die Vorgeschichte wird teilweise gezeigt, die Eskalation der Gewalt, vom Todesschuss des Westberliner Kripobeamten und Stasispitzels Karl-Heinz Kurras auf den Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967; bis zur Konstituierung der RAF im Frühjahr 1970. Doch sind die Ausstellungsmacherinnen aus Stuttgart dem erkenntnislosen Objektfetischismus erlegen. So zeigen sie das Suzuki-Motorrad, von dem aus Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine Begleiter 1977 erschossen wurden. Oder die Beretta-Pistole, mit der bei der Befreiung Andreas Baaders gefeuert wurde. Eine staatlich gut ausgestattete Institution wie das Haus der Geschichte Baden-Württembergs hat zwar Zugang zu den Asservatenkammern der Justiz, aber die nötige Distanz für eine fundierte Recherche, die hat sie nicht.

Staatsbedienstete sind naturgemäß befangen, wenn sie ein Bild des bewaffneten Angriffs auf ebenjenen Staat zusammenstellen sollen. So verschweigt die Schau, dass Siegfried Buback und Kurt Rebmann, die als Generalbundesanwälte die RAF verfolgten, als junge Karrieristen Mitglieder der NSDAP waren; auch dass der von der RAF ermordete Hanns Martin Schleyer SS-Offizier gewesen war. Ein wichtiges Element der RAF-Geschichte fehlt deshalb: die des Konflikts zwischen den Vertretern der 1968er und der Kriegsgeneration, den nach 1945 zu BRD-Demokraten gewendeten Exnazis.

Natürlich sind auch 220 Exponate auf 550 Quadratmetern zu wenig, um die 28 Jahre umfassende RAF-Geschichte zu dokumentieren. Die zentrale Frage zur RAF lautet: Wie verfielen intelligente junge Menschen, vorwiegend aus bürgerlichen Familien, darunter sehr viele Frauen, auf die Idee, in der Bundesrepublik einen Bürgerkrieg anzufangen und dabei ihre Leben zu riskieren?

Diese Frage wird erst gar nicht gestellt. Mit den wenigen Antworten, die die Schau gibt, kann man zudem ordentlich danebenliegen. Nach düsteren, in Rot und Schwarz gehaltenen Räumen der Ausstellung kommt der Besucher in Berlin in einen hellen Raum. Hier wird der Friedensbewegung der 1980er Jahre mit ihrer Gewaltlosigkeit die Überwindung und gewissermaßen die Nachfolge der RAF zugeschrieben.

Das ist Unsinn. Den endgültigen Bruch mit der RAF vollzog nicht die von der DKP und DDR beeinflusste Friedensbewegung der 1980er Jahre. Es waren die Linksradikalen der Alternativbewegung; auf ihrem Tunix-Kongress Anfang 1978 in Westberlin. Die Gründung der Grünen oder dieser Zeitung spielen in der Folge ebenfalls eine Rolle.

Diese aus Stuttgart ins Deutsche Historische Museum geholte Staatsschau schafft es nicht, das Phänomen RAF halbwegs umfassend darzustellen oder zu ergründen. Ein neuer Anlauf ist gefragt. MICHAEL SONTHEIMER