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Archiv-Artikel

„Äcker werden zu Labors deklariert“

Um für gentechnikfreie Nahrung zu werben, wandert Pablo Rondi aus Ottensen 1.200 Kilometer weit von Lübeck nach Lindau. Initiiert hat die Aktion der Chef des Öko-Lebensmittelherstellers Rapunzel, Joseph Wilhelm

Pablo Rondi hat 13 Jahre lang Bioläden in Ottensen betrieben. Seit zwei Jahren arbeitet er im fairen Handel  Foto: Birgit Gärtner

Herr Rondi, ab Ende Juli wandern Sie 1.200 Kilometer von Lübeck nach Lindau, um für gentechnikfreie Nahrung zu werben. Sind Sie gut zu Fuß?

Pablo Rondi: Ich arbeite bei dem fairen Kaffeehandel El Rojito und bin freigestellt für die Zeit, damit ich trainieren kann. Vor zwei Tagen bin ich 32 Kilometer mit meiner Freundin gelaufen und wir haben das ganz gut überstanden. Ich trainiere jeden Tag, damit keine Ermüdungserscheinungen auftreten.

Haben Sie etwas Ähnliches schon einmal getan?

Auf dieser Strecke nicht. Ich bin einen Teil des Jakobsweges im Urlaub gegangen, aber auch nur einen kleinen Teil im Gebirge und das ist schon lange her.

Muss man der deutschen Öffentlichkeit noch erklären, was an der Gentechnik problematisch ist?

Der Verbraucher ist zu wenig darüber informiert, in welchen Lebensmitteln gentechnisch veränderte Grundstoffe vorhanden sind. Wir haben eine völlig unzureichende Deklarationspflicht. Wenn der Bauer seine Kühe mit genmanipuliertem Futter füttert, ist er hinterher nicht verpflichtet, das zu kennzeichnen. Die Kühlregale sind voll mit solchen Sachen.

Was ist denn das große Problem bei der Gentechnik?

Dass die Äcker auf einmal zu Labors deklariert werden. Man probiert Dinge aus, die überhaupt nicht in Langzeitstudien geprüft wurden.

Auch ohne dass der Mensch eingreift, verändern sich Organismen durch Mutationen stark. Damit werden auf natürliche Weise Großversuche gestartet.

Die Natur ist ständiger Veränderung unterworfen. Die Frage ist nur, inwieweit der Mensch das künstlich beeinflusst und Dinge zusammenbringt, die nicht zusammengehören.

In der Natur geschieht das ebenfalls, etwa indem Artgrenzen übersprungen werden.

Wir müssen uns mit den Problemen auseinandersetzen, die sich daraus ergeben. Trotzdem ist die Gefahr bei der Gentechnik, dass etwas freigesetzt wird und man nicht weiß: Was macht man da eigentlich? Was hat das für Folgen? Letztlich ist das ein Problem der Nahrungssicherheit. Ich als Endverbraucher habe nicht mehr die Gewährleistung, dass das Lebensmittel, das ich kaufe, wirklich frei von Gentechnik ist. Wenn das Ganze im Labor stattfinden würde und der Verbraucher sich entscheiden könnte, wäre das eine andere Frage. Aber so werden alle in Mitleidenschaft gezogen. Die neue Haftungsregelung etwa drängt Biobauern an die Wand. Sie sieht eine Entschädigung des Biobauern erst ab einem Grad der gentechnischen Verunreinigung vor, der weit über den Grenzwerten von Bioprodukten liegt. Bauern sind dann einem hohen Risiko ausgesetzt, wenn sie auf ökologische Landwirtschaft umstellen.

Wandern denn Bauern mit?

Ich habe gestern mit Florian Gleißner von der Domäne Fredeburg in Lauenburg gesprochen. Das ist der Sprecher für die genfreie Region. Der wird mitlaufen und wir werden nachmittags bei ihm auf dem Hof zum Essen verweilen.

Wie viele Menschen gehen denn insgesamt mit?

Das ist eine Zahl, die im Dunkeln liegt, weil die Aktion eine große Eigendynamik hat. Die Rapunzel AG hat sehr viel Vorbereitungsarbeit gemacht. Ich weiß von drei Leuten, die die ganze Strecke laufen. Das sind Joseph Wilhelm, meine Freundin und ich. Ob dann 50 oder 500 Menschen auf den Tagesetappen dazukommen, ist offen. Interessant ist, dass sich ein Pionier wie Joseph Wilhelm, der den Bio-Gedanken seit 30 Jahren propagiert, zu Wort meldet, weil wir vor einer Weggabelung stehen. Ende vergangenen Jahres gab es eine WTO-Entscheidung, nach der Gentechnik-Produkte aus dem Ausland hierher importiert werden dürfen. Außerdem will Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) noch vor der Sommerpause eine Gesetzesinitiative einbringen, die den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen erleichtern soll. Interview: GERNOT KNÖDLER