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Archiv-Artikel

kabinenpredigt Sarah BSC

Am Samstag und Sonntag, wenn ich Zeit genug habe und das Wetter sich nicht allzu schlimm gebärdet, sitze ich vormittags auf meinem Balkon und lese Zeitung. Die große Stadt tut dann so, als wäre sie ganz klein und leise. Mal kommt ein Auto, Schwalben zischen durch die Luft, und der Mann im Haus gegenüber putzt mit dem Staubsauger seinen Balkon.

Perfekt wird diese Idylle durch die Stimmen, die vom Fußballplatz an der Ecke herüberrufen. Da wird angefeuert, bejubelt, geklatscht, und in der Gesamtheit ergibt das einen hellen und friedlichen Klang, den ich liebe. Fußball, denke ich dann, ist doch was Tolles. Ich stehe auf und schaue über die Balkonbrüstung auf die kleinen verschwitzten Jungen und Mädchen, die rotwangig und fröhlich schwatzend an ihren Wasserflaschen nuckeln und das Spiel kommentieren.

Wenn dieses Wochenendglück vollkommen ist, fängt meine Lieblingsamsel an zu singen. Ich setze mich wieder hin, rauche eine Zigarette und merke, dass trotzdem etwas fehlt. Ich weiß nicht genau, was es ist, und es dauert immer eine Weile, bis ich es benennen kann. Da sind drei Fußballplätze und noch ein Bolzplatz dazu, auf denen Wettkämpfe ausgetragen werden; man hört, wenn ein Tor geschossen wurde, man hört die Spieler und die Zuschauer, nur etwas hört man nie – die Trillerpfeife des Schiedsrichters.

Denn durch die hat sich eine Anwohnerin gestört gefühlt und ist gleich vor Gericht gezogen, um diesen schlimmen Wohnwertverlust anzuklagen. Unglücklicherweise hat sie Recht bekommen, und seitdem dürfen keine Triller mehr durch die Lüfte schweben. Flugzeuge schon, auch Lastwagenkrach ist erlaubt, aber das Pfeifen ist verboten. So müssen die Schiedsrichter schreien statt pfeifen.

Demnächst wird neben den Fußballplätzen ein alter Gasspeicher zu Luxusapartments umgebaut, und es ist ziemlich sicher, dass die zukünftigen Bewohner zwar unbedingt im Kiez wohnen wollen, aber auf keinen Fall das lustige Lärmen der Fußballkinder ertragen können. Diese Kinder brauchen einen starken Partner an ihrer Seite, jemanden, der sich mit Macht dafür einsetzt, damit hier weiter gespielt werden darf und auch wieder gepfiffen. Und da kommt Hertha BSC ins Spiel. Denn der Verein könnte sich tatsächlich für den Erhalt der Plätze einsetzen, würde dadurch sogar enorm an Prestige gewinnen und hätte auf die Schnelle einige hundert neue Fans gefunden.

Also los, Hertha, keine Zeit verlieren und Kontakt aufnehmen mit dem Fußballplatz an der Körtestraße. Ich häng dann auch eine Hertha-Fahne auf meinen Balkon. Versprochen! SARAH SCHMIDT