: Zurück ins Glück
In der Dokureihe „High sein, frei sein, überall dabei sein“ erinnern sich Exhippies an ihren „Summer of Love“ vor 40 Jahren (20.15 Uhr, Arte)
VON JENNI ZYLKA
Wo man hinschaut bekiffte Bärte. „Yes, that was a funny time“, grinst der nepalesische Expolizist, der im Schneidersitz auf seinem Teppich thront, an den Zehen fummelt und von den komischen Rucksacktouris erzählt, die sich mit dem spottbilligen nepalesischen Hasch die Birne zurauchten und tanzten.
Einen zweimonatigen Programmschwerpunkt hat Arte der Zeit vor 40 Jahren gewidmet, die man später als „Summer of Love“ zusammenfasste. Der Hippietrail langhaariger und konsummüder Europäer und Amerikaner führt das Programm an.
In fünf Teilen erzählt die Doku „High sein, frei sein, überall dabei sein“ von den Erleuchtungsreisen nach Ibiza, Marokko, Afghanistan, Indien und Nepal Ende der 60er und etwas später, besucht angegraute Dortgebliebene und häufige Besucher und drückt ihnen zur Erinnerungsauffrischung ein floral bemaltes Bulli-Modell in die Hand.
Und die einstigen Hippies haben einiges zu erzählen: Ein très chique gealtertes französisches Exmodel lebt in einer von flatterndem und klirrendem Quatsch behängten Villa noch immer glücklich in den Tag hinein, Stardesigner Philippe Starck hockt in seinem beeindruckenden Feriendomizil auf Formentera und philosophiert sympathisch über ehemalige Hippiegrundsätze. Die allgegenwärtige Uschi Obermaier darf den gewohnten Unsinn über ihre Lieblingszeit und Marokkos „tolle Fransentaschen“ loswerden und trifft auf den Bassisten der Berliner Band Embryo, der immer noch einen Teil des Jahres in Tanger lebt und mit dortigen Musikgrößen jammt.
In Kabul erzählt der „Lonely Planet“-Gründer Tony Wheeler von seinem ersten Reiseführer über Afghanistan, in Goa berichtet „Woody Pumpernickel“ von seinem Ausstieg aus dem Buchhändlerleben in Berlin und seinem Einstieg ins Bäckergeschäft – seine „German Bakery“ war und ist einer der wichtigsten Treffpunkte für Backpacker aus aller Welt. Und in der Märchenstadt Kathmandu lebt ein deutscher ehemaliger Rechtsanwalt, der Anfang der 70er aus Liebeskummer nach Nepal gereist war, und dort schließlich in seinem Hausmädchen die Liebe seines Lebens fand.
Mit einem Soundtrack zwischen Doors, Hendrix und indischer Sitarmusik angemessen begroovt, wunderbaren Super8-Aufnahmen und Fotos angedickt und kurzweiligen O-Tönen collagiert, hinterlässt die Reihe ein charmantes, ganz unangestrengt kritisches Bilderalbum einer Generation zwischen unglaublicher Naivität und diffusem Änderungswillen. Wie nah diese anscheinend alternativen Lebensentwürfe trotz wehender Mähne, barbusigem Ausdruckstanz und stetigem Lächeln manchmal an den konservativen Vorstellungen der elterlichen Konventionen haften blieben und wie egozentriert viele der Hippies trotz angeblicher Weltoffenheit waren, zeigt der Umgang mancher auf dem Hippietrail Verlorengegangener mit Drogen sowie der gesellschaftlichen und politischen Lage in dem von ihnen bereisten Land: Für 40 Pfennig pro Nacht wurden Suiten bezogen, um den Rest des Taschengeldes in die dicksten Pfeifen zu investieren.
Auch von der Entwicklung des Haschischkonsums mit Zunahme der Illegalität erzählt die Reihe. Und mehr als einer der Marihuana-Veteranen glaubt, dass die Probleme mit harten Drogen durch die sagenhafte Reinheit des Stoffes in den Anbauländern gar nicht erst aufgetreten wären – eine hübsche und bedenkenswerte Hippie-Theorie.