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Archiv-Artikel

Die soziale Zeitbombe tickt

In Indonesien stürzte Diktator Suharto auch wegen der Asienkrise. Doch die Demokratie ist umstritten. Denn die neue Ordnung hat bisher nur den alten Eliten geholfen

BERLIN taz ■ Wie ein „Who is who“ der alten Freunde des ehemaligen Militärmachthabers Suharto liest sie sich – die aktuelle Forbes-Liste der reichsten Indonesier. Während es Holzbaronen und Firmenbesitzern, die ihren Gläubigern seit der Asienkrise noch immer Millionen schulden, offenbar gut geht, stürzten weite Teile der Gesellschaft die soziale Leiter tief hinab. Trotz eines Wirtschaftswachstums von fünf bis sechs Prozent und eines vollmundig angekündigten Armutsbekämpfungsprogramms der Regierung lebt etwa die Hälfte der Bevölkerung von weniger als zwei Dollar am Tag.

Vor allem Jugendliche, häufig Schulabbrecher, sind es, die sich mit Gelegenheitsjobs im informellen Sektor mühsam über Wasser halten. „Hier tickt eine soziale Zeitbombe“, sagt Erwin Schweisshelm, Leiter des Indonesien-Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung, zur taz. Immer mehr Menschen fragten sich inzwischen, was die Demokratie ihnen gebracht habe. Über die Hälfte der Jugendlichen wollen bei den nächsten Wahlen 2009 keine der etablierten Parteien wählen.

Denn auch in der Politik ziehen in Indonesien, das zu den korruptesten Ländern der Welt gehört, die alten Eliten weiter die Fäden. Von einer unlängst erfolgten Kabinettsumbildung profitierte vor allem die ehemalige Suharto-Partei, Golkar. Deren Chef, Vizepräsident Jusuf Kalla, der einer der reichsten Familien des Landes entstammt, wird nicht müde zu betonen, dass Demokratie im westlichen Stil nur für Unruhe sorge – was Gift für die Wirtschaft sei. Sein Parteikollege Surya Paloh, Großunternehmer und Medienmogul, machte jüngst von sich reden, als er Demokratie nicht als Ziel, sondern als Mittel zum Zweck der Wohlstandsvermehrung beschrieb. „Gibt es keinen Wohlstand, nützt die Demokratie nichts“, so Paloh. Der neue Diskurs erinnert fatal an die alte Rhetorik von der Effizienz der Entwicklungsdiktatur und von den „asiatischen Werten“, die unvereinbar seien mit dem westlichen Demokratiemodell. Sie hatte jahrzehntelang zum Standardrepertoire von Südostasiens autoritären Herrschern wie Suharto oder Singapurs Expremier Lee Kuan Yew gehört. „Wenn Demokratie darauf reduziert wird, dass sie für Wohlstand zu sorgen habe“, warnte denn auch der bekannte indonesische Intellektuelle Ignas Kleden, „wird man bei dessen Ausbleiben schnell versucht sein, wieder autoritäre Wege zu gehen“. ANETT KELLER