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Archiv-Artikel

Baumschützer stellen Tiefensee bloß

Der Bundesverkehrsminister fordert auf einem Kongress eine stärkere Zusammenarbeit von Politik und BürgerInnen. Als ihm Kreuzberger BaumschützerInnen kurz darauf eine Petition übergeben wollen, flüchtet Tiefensee aber flugs

Es war schon bemerkenswert, wie schnell Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) seine eigenen Verlautbarungen konterkarierte. Eben noch war er Eröffnungsredner auf dem Kongress über „Nationale Stadtentwicklungspolitik“ im E-Werk in Mitte gewesen. Rund 1.000 Gäste hatten seinen Worten gelauscht, mit denen er seine Pläne zur sozialen Stadt umriss, einer Einheit von Integration und Identität.

Um das zu erreichen, wolle er die „Arme unterhaken“ und „engagiert zusammenarbeiten mit den Akteuren vor Ort“. Denn, so hatte Tiefensee betont, insbesondere „das bürgerschaftliche Engagement“ sei der Schlüssel für eine funktionierende Stadt der Zukunft. Hier sei die Politik gefragt, denn „es besteht große Gefahr, dass die Menschen sich allein gelassen fühlen“.

Als er anschließend in Richtung Pressekonferenz marschierte, standen sie auch schon da, die Menschen. Gut ein Dutzend Kreuzberger BaumliebhaberInnen wollte die Gelegenheit beim Schopfe packen und Tiefensee persönlich um Unterstützung bitten. Und zwar um Unterstützung für ihren schon vier Wochen währenden Kampf um die 41 Bäume am Landwehrkanal, die das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) fällen will, weil die Uferböschung marode ist. Das Amt ist Tiefensees Ministerium untergeordnet.

„Rettet die Bäume“ stand auf dem Plakat, das sie dem Minister überreichten. „Okay, danke“, war seine Reaktion, bevor er flugs in den Aufzug huschte, der ihn in den achten Stock brachte. „Tun Sie was!“, riefen die Kreuzberger ihm noch hinterher. „Jo“, schallte es zurück. Dann war er weg.

So leicht dürfte er aber nicht davonkommen. Seit das WSA am Samstag eingestanden hatte, das Ufer könne theoretisch saniert werden, ohne die Bäume zu fällen, wittert die 1.500 Mitglieder starke Bürgerinitiative ihre große Chance. Zusätzlichen Rückenwind erhielt sie gestern vom Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses. Dort war man sich einig wie lange nicht mehr.

Schleunigst, betonten die Vertreter aller Fraktionen, müsse der Landwehrkanal wieder geöffnet werden. Auch um den Reedereien weitere wirtschaftliche Einbußen zu ersparen. Die Situation habe allein das WSA zu verantworten. Offensichtlich habe die Behörde sich „über Jahre hinweg nicht um die eigenen Pflichten gekümmert“, beklagte etwa der Grüne Dirk Behrendt. Unabhängig von der Frage, was mit den Bäumen geschehe, fehle zudem ein „mittelfristiger Sanierungsplan“, bemängelte die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Natürlich habe sie längst Kontakt zum WSA aufgenommen, um zu verhindern, dass „ein touristisches Highlight und Erholungsgebiet“ einfach so zerstört werde.

Kritikpunkte und Klärungswünsche hielten die Ausschussmitglieder in einem Brief fest. Der Adressat: ausgerechnet Bundesminister Tiefensee. Die Angelegenheit habe „außerordentliche Aktualität und Brisanz“, das WSA müsse „alternative Sicherungsmaßnahmen“ prüfen und zügig einen Sanierungsplan vorlegen, heißt es darin. Zudem wird um eine Auflistung von früheren und geplanten Instandhaltungsmaßnahmen an Berliner Wasserstraßen gebeten.

Nach dem glanzlosen Kurzauftritt vor der Kongresstür ist das Tiefensees zweite Chance, zu zeigen, wie ernst ihm die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements tatsächlich ist.

VEIT MEDICK