S-Bahn-Verkehr läuft wieder rund

Die Streiks der Lokführer legten gestern früh neben dem Fern- und Regionalverkehr auch die S-Bahnen lahm. Bis zu einem Gespräch mit Bahnchef Mehdorn am Donnerstag soll es keine weiteren Arbeitsniederlegungen geben

„Bis auf zwei Regionalexpress-Züge ist hier seit fünf nach fünf kein Zug mehr gefahren“, freute sich Hans-Joachim Kernchen, Bezirksvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), gestern Vormittag am Hauptbahnhof. Von 1979 bis 1992 hat er selbst als Lokführer in Berlin gearbeitet, seither engagiert er sich hauptamtlich in der Gewerkschaft. „Die Rahmenbedingungen für das Fahrpersonal wird seit der Wende immer schlimmer“, sagte er. Das Spitzengehalt eines Lokführers betrage 2.142 Euro. „Das entspricht 1.500 netto.“

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, riefen die Gewerkschaft Deutscher Lokführer, die Transnet und die GDBA gestern getrennt zum Streik auf. Betroffen war neben dem Fern- und Regionalverkehr auch das Berliner S-Bahn-Netz. Seit gestern Vormittag um 10.30 Uhr fahren die S-Bahnen weitgehend wieder nach Plan. Während die Transnet und die GDBA Gehaltssteigerungen von 7 Prozent verlangt, fordert die GDL neben Gehaltserhöhungen von bis zu 31 Prozent eigenständige Tarifverträge für Lokführer – und macht sich damit nicht nur Freunde.

„Uns ist nicht klar, warum die GDL so aggressiv und kompromisslos vorgeht“, sagte S-Bahn-Sprecher Gisbert Gahler. Die Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag für Lokführer und einer derart drastischen Lohnerhöhung könne er nicht nachvollziehen. „Damit wird die S-Bahn-Belegschaft in zwei Klassen geteilt“, kritisierte er. Das sei dem „sozialen Frieden“ im Betrieb bestimmt nicht zuträglich. Des Weiteren sei es ihm unverständlich, warum der Tarifstreit auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen werde.

„Von Kollegenschelte möchte ich Abstand nehmen“, betonte hingegen Petra Reetz, Sprecherin der BVG. Man könne schließlich selbst in die Lage geraten, Tarifverhandlungen führen zu müssen. Für sie hat der Streiktag in erster Linie gezeigt, dass man in Berlin beide Verkehrsanbieter braucht. „Besonders die Berufspendler und die Anwohner in den Randgebieten haben das zu spüren bekommen“, so Reetz. Außerdem sei es bemerkenswert, wie gelassen die meisten Berliner mit dem Streik umgegangen seien.

Während die GDL zunächst angekündigt hatte, weitere Streiks zu planen, nahm sie von dieser Aussage Abstand, nachdem Bahnchef Hartmut Mehdorn signalisiert hatte, zu einem Einzelgespräch mit der Gewerkschaft am Donnerstag bereit zu sein. „Auch wenn es zunächst nur um Sondierungen geht, werden wir bis zu diesem Termin zu keinen weiteren Streiks aufrufen“, erklärte Kernchen gestern Abend.

Mehdorn urteilte unterdessen, die Forderung der GDL sei „irrwitzig und nie zu erfüllen“. Die GDL-Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag werde die Bahn nicht hinnehmen, dennoch müsse man den Ernst der Lage erkennen. Laut Mehdorn verursacht jeder weitere Streiktag der Bahn Verluste in zweistelliger Millionenhöhe.

NANA GERRITZEN