: Mehr als Aggregatzustände
MUSIK UND ARCHITEKTUR Mit einem „Mahlerfest“ feiern die Fredener Musiktage in diesem Jahr zugleich den 100. Todestag Gustav Mahlers und den 100. Geburtstag des Fagus-Werks
VON ROBERT MATTHIES
Eigentlich bemüht man in solch einem Fall das berühmte Schopenhauer-Zitat: dichter kann man Musik und Architektur gar nicht rücken, als es der Philosoph des Jammertals getan hat – gerade mal der Aggregatzustand unterscheide Ton- und Stein-Zusammenfügung: das eine nichts als der gefrorene Zustand des anderen.
Tatsächlich aber gibt es für die gemeinsame Feier „architektonischer und musikalischer Meisterleistungen“ beim „Mahlerfest“ im Alfelder Fagus-Werk im Rahmen der diesjährigen Fredener Musiktage viel anschaulichere Anlässe als philosophische Kunstphysik: Dass sowohl Gustav Mahler als auch Walter Gropius mit der als Alma Schindler geborenen Wiener Salonière dieselbe Frau leidenschaftlich geliebt und geehelicht haben, wird natürlich vermerkt. Noch plausibler ist aber immer eine runde Zahl: vor 100 Jahren ist der österreichische Komponist gestorben, 100 Jahre alt ist die jetzt zum Unesco-Weltkulturerbe erklärte Fabrikanlage des späteren Bauhaus-Gründers.
Jeweils zwei Konzerte am Samstag und Sonntag umfasst das „Mahlerfest“, zu hören sind dabei neben einer Sinfonie, einem Klavierquintett und Liedern Mahlers Werke von Zeitgenossen: Der Norddeutsche Figuralchor singt Stücke von Mahler, Arnold Schönberg und Franz Schreker, anschließend bringt das Linos Ensemble Mahlers Sinfonie Nr. 4, eine Berceuse Ferruccio Busonis und eine von Webern bearbeitete Kammersinfonie Schönbergs zur Aufführung. Am Sonntag singt die Sopranistin Ildiko Raimondi unter anderem Lieder von Mahlers – und später Gropius’ – Frau Alma, Robert Fuchs, Ignaz Brüll, Bruno Walter und Hugo Wolf, bevor die camerata freden Mahler mit einem Klavierquintett Erich Wolfgang Korngolds und einem Violinkonzert Alban Bergs zusammenbringt. Eingeleitet werden beide Konzertabende mit einem Vortrag, der jeweils einen Aspekt des Mahlerfestes näherbringt: Am Samstag spricht Arne Herbote über die architekturgeschichtliche Bedeutung des Fagus-Werks, am Sonntag gibt es Anmerkungen Herbert Zemans zu „Illusion und Wirklichkeit in der Kultur Wiens um 1900“. Mit Mahler und Gropius’ Bau setzt sich außerdem ein Filmabend auseinander: Am Donnerstagabend sind im Hotel Steinhoff die Dokumentation „100 Jahre Fagus-Werk Alfeld“ und der Spielfilm „Mahler auf der Couch“ zu sehen.
Und noch einmal gibt es in diesem Jahr einen Bezug zu Mahler: Porträtiert wird am Mittwoch in der Fredener Zehntscheune der gleichermaßen in Chormusik, Bandband-Kompositionen oder Elektroakustik bewanderte österreichische Komponist Matthias Kranebitter: der 31-Jährige hat 2006 den Gustav Mahler Kompositionspreis der Stadt Klagenfurt gewonnen.
■ Freden, Alfeld und Wrisbergholzen: Fr, 29. 7. bis So, 7. 8.; www.fredener-musiktage.de