: Mietspiegel nur für Reiche
Die Mieterorganisationen steigen aus den Beratungen über den Mietspiegel aus. Sie werfen dem Senat vor, die Heuschrecken in die Stadt holen zu wollen. Mieterhöhungen vor allem in Altbauen
von UWE RADA
Eine Woche vor der Veröffentlichung des neuen Mietspiegels haben der Berliner Mieterverein, die Mietergemeinschaft und der Mieterschutzbund ihre Mitarbeit im „Arbeitskreis Mietspiegel“ eingestellt. Der Berliner Mietspiegel 2007, sagte Mietervereinschef Hartmann Vetter zur Begründung, sei erneut ein „Vermieter-Mietspiegel“. Anhand des Mietspiegels wird die ortsübliche Vergleichsmiete festgelegt.
Gegenstand der Kritik ist vor allem die statistische Berechnung der Oberwerte für bestimmte Wohnungstypen. Während die Mieterorganisationen forderten, Höchstmieten durch eine sogenannte Zweidrittelspanne herauszurechnen, schlug sich Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) auf die Seite der Vermieter. Sie hatten eine Spanne bis zu vier Fünfteln der Mietwerte gefordert. Statt 66 Prozent werden nun also bis zu 80 Prozent der Mieten zur Berechnung des Mittelwertes und des Oberwertes herangezogen. Für Vetter ist das „vollkommen inakzeptabel“.
Laut Berechnungen des Mietervereins haben damit – zusätzlich zu den üblichen Mieterhöhungen – die Mieter von 900.000 Wohnungen mit Steigerungen zu rechnen. Betroffen seien, so Rainer Wild vom Mieterverein, vor allem die Bewohner von Altbauten. Wegen zahlreicher Modernisierungen sei die Mietspanne dort besonders hoch. Der Spielraum für Mieterhöhungen infolge dieser vermieterfreundlichen Spanne wachse hier auf bis zu 61 Cent pro Quadratmeter. Aber auch Mieter von Westberliner Bauten aus den 70er- und 80er-Jahren hätten mit zusätzlichen Steigerungen zu rechnen. Damit, so betonten die drei Mieterorganisationen in einer Erklärung, besorge die rot-rote Landesregierung „das Geschäft der Heuschrecken“.
Die Sprecherin der Stadtentwicklungssenatorin, Manuela Damianakis, bedauerte gestern, dass die Mieterverbände den Mietspiegel nicht unterzeichneten. In der Frage der Spanne habe es aber keinen Spielraum gegeben, betonte sie. Schon 2005 habe es eine ähnliche Regelung gegeben. „Das wollten wir nun fortschreiben, auch um den Mietspiegel gerichtsfest zu machen.“ Sie räumte aber ein, dass andere Großstädte wie München oder Hamburg der Berechnung ihres Mietspiegels eine Zweidrittelspanne zugrunde legten.
Politiker der rot-roten Koalition stellten sich gestern hinter Senatorin Junge-Reyer. Für die wohnungspolitische Sprecherin der Linkspartei, Jutta Mattuschek, ist die Frage der Spanne eine „Gewissensfrage“. „Wir hätten uns das auch anders vorstellen können“, sagte Mattuschek gegenüber der taz. Entscheidend sei aber das Votum der zuständigen Senatsverwaltung. Die Mieterverbände dagegen werfen Rot-Rot Wortbruch vor. „Im Koalitionsvertrag steht, dass es einen einvernehmlichen Mietspiegel geben soll“, erinnerte Mietervereinschef Hartmann Vetter. „Eine solche Mieterhöhung hätte es bei einem CDU-Senat unter Eberhard Diepgen nicht gegeben.“
Der Bund der Berliner Haus- und Grundbesitzervereine dagegen erklärte: „Der Mieterverein betreibt Kamikaze-Politik.“ Wenn sich die Mieterorganisationen beim Senat durchgesetzt hätten, so der Sprecher des Verbandes, Dieter Blümmel, hätte es trotz nachweisbarer Mietsteigerungen in einigen Feldern niedrigere Mietwerte gegeben als beim Mietspiegel 2005.