Immer nur das eine im Sinn

Die beiden kann man sich nicht gemeinsam an einem Tisch vorstellen. Hier der britische Expat Chris Clark, der hochkomplexe Tracks programmiert, die die Weiten des Dancefloors neu zu vermessen versuchen. Dort der deutsche Klamaukkünstler Alexander Marcus, der die infantile Beschränktheit seiner selbst erfundenen Electrolore standhaft ignoriert. Doch, kaum zu glauben, schlussendlich geht es beiden doch nur um das eine: ums Tanzen.

Der eine, die Kunstfigur Alexander Marcus, will vorgeblich ein Publikum im Rentenalter in Bewegung versetzen, das sich sonst das Gesäß vor TV-Volksmusikübertragungen plattsitzt. In Wirklichkeit gehört wird seine Electrolore, der Mix aus Electro und volkstümlicher Musik, allerdings natürlich nahezu ausschließlich von Menschen, die einigermaßen ironiefähig sind – und die Metabezüge hinter dem schmierigen Möchtegern-Schlagerstar verstehen. Mit „Kristall“, seinem vierten Album, läuft sich der einst durchaus gelungene Witz nun aber endgültig tot. Auf gleich zwei CDs singt Marcus Hymnen auf Hunde („Wer hat das Sofa eingesaut?“), Elektriker („Ich kümmere mich darum, dass die Spannung steigt“) und ein gebrauchtes Automobil der Marke Volkswagen Scirocco („Das größte Glück auf Erden“). Das reicht noch für den einen oder anderen Lacher, ist auf Dauer aber ebenso schwer zu ertragen wie der primitive, bestenfalls funktionale Rhythmus aus der Billig-Drumbox, der ohne Unterlass tuckert.

Alles andere als simpel gestrickt sind dagegen die Beats von Chris Clark. Der Engländer, der schon seit Jahren in Berlin lebt, hat für sein neues, schlicht „Clark“ betiteltes Album einen Stilwechsel angekündigt: Der 35-Jährige will die Möglichkeiten von Techno radikal erweitern.

Zwar hat er sich schon immer nicht mit gewöhnlichem Dancefloor-Futter begnügt, aber noch nie hat er in seinen Tracks so radikal das Diktat der durchgehenden Bassdrum abgeschafft. Mithilfe von Field Recordings, Rhythmuswechseln, Klangexperimenten und zum Teil radikaler Reduktion sind komplexe, faszinierende Klangcollagen entstanden, die zwar – zumindest partiell – gut in einen Club passen, aber vor allem doch das kompositorische Talent von Clark in den Vordergrund rücken.

Nein, so richtig kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Chris Clark und Alexander Marcus demnächst zusammen ein Bierchen trinken werden. THOMAS WINKLER

■ Clark: „Clark“ (Warp/Rough Trade), live am 3. 12. im Berghain

■ Alexander Marcus: „Kristall“ (Kontor/ Edel), live am 29. 11. in der Columbiahalle