Langsam wächst das Gras drüber

Auf dem Teufelsberg im Grunewald sollte einst ein Luxusresort entstehen. Die Investoren scheiterten. Seit Jahren will der Senat das Bergplateau zurückkaufen. Doch die Investorengruppe gibt nicht auf. Mittlerweile holt sich die Natur die Ruine zurück

VON KONRAD LITSCHKO

Das große, blaue Schild gleich hinter dem massiven Gittertor ist arg verblichen: „Resort Teufelsberg Berlin“ steht da über einem Panorama-Foto von Berlins höchster Erhebung. „Attraktive Eigentumswohnungen“ mit „Balkon, Dachterrasse oder Garten“ sollen hier oben auf dem waldumschlungenen Teufelsbergplateau bald zu haben sein. Das heißt: sollten. „Fertigstellung Herbst 2002“, wird ganz unten auf dem Info-Schild vermerkt.

An Stelle der Luxus-Appartements ist jedoch nur vor die zerdepperte Abhöranlage zu sehen. Wo einst die US-Armee weit in die Ostblockstaaten hinein lauschte, ist keine heile Scheibe mehr zu finden. Türen und Heizkörper wurden aus ihren Verankerungen gerissen. Kabeldiebe und Graffiti-Sprayer haben sich auf dem Gelände gütlich getan. Der löchrige Zaun ist oft mehr als provisorisch geflickt.

Dabei wollte der Senat die höchstgelegene Ruine der Stadt längst von der erfolglosen Investorengruppe zurückkaufen und den Berlinern als renaturiertes Waldgebiet wiedergeben. Bereits 2004 entzog die Verwaltung den Projektplanern die Baugenehmigung wegen Untätigkeit. Doch eine Einigung über einen Rückkauf hat es nicht gegeben.

„Das ist ein Trauerspiel der Verschleppung und Intransparenz“, kritisiert Hartwig Berger, Vorsitzender des Berliner Ökowerks. Das Naturschutzzentrum im Grunewald hatte vor Jahren mit Anwohnern, Naturschützern, Sportgruppen und den Grünen im „Aktionsbündnis Teufelsberg“ gegen das Luxusresort protestiert. „Da bewegt sich nichts, weder auf Senats- noch auf Investorenseite“, sagt Berger.

Planung und Scheitern

Tatsächlich scheint das Verhältnis zwischen Senat und Investor nachhaltig gestört zu sein. Noch heute poltert Planer Hanfried Schütte gegen die Berliner Verwaltung: „Erst wird das Grundstück verkauft, dann das Planungsrecht wieder eingezogen, und schließlich wird man einem Rufmord anheimgestellt.“ Die Kommunikation mit dem Senat sei miserabel. „Wir bekommen keinen der politisch Verantwortlichen.“ Dabei ist sich Schütte sicher: „Unter heutigen Umständen hätten wir das Projekt realisieren können.“

Allerdings hat Schüttes Investorengruppe acht Jahre lang das Gegenteil bewiesen. Bereits 1996 kauften sie zusammen mit dem Kölner Architekten Hartmut Gruhl das 4,7 Hektar große Areal auf der Spitze des Teufelsbergs – für 5,2 Millionen Mark. Auf dem Gelände der ehemaligen Abhörstation mit ihren markant weißumkleideten Radartürmen sollten Lofts, ein Luxushotel, Gastronomie und ein Spionage-Museum entstehen.

Außer einigen Fundamenten und einer Musterwohnung wurde bis zum Entzug der Baugenehmigung nichts realisiert. Zweimal überschritten die Investoren die Fertigstellungsfrist für ihr Projekt. Interessierte Mieter oder Käufer für die Wohnanlage konnten kaum aufgetrieben werden.

Aufgeben will Schütte dennoch bis heute nicht. Der Betreiber des geplanten Hotels stünde „Gewehr bei Fuß“, behauptet er. Möglich wäre aber auch eine ganz andere Bebauung: Vielleicht ein Gesundheitszentrum? Vielleicht ein Freizeitpark? „Dieser Senat lebt ja nicht für immer“, droht der Investor mit Ausdauer.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung jedoch ist widerstandsfähig. „Unsere Aussage steht“, sagt Sprecherin Petra Rohland. Sie beharrt auf einer Renaturierung. Statt der Bebauung sei nun eine „grüne Oase am Rand der Stadt“ das Ziel. „Wir haben uns mit dem jetzigen Investor schon gut verbrannt“, erklärt Rohland. Selbst die Pläne eines Thüringer Architekten-Duos, die noch im November 2006 von der Stadtentwicklungsverwaltung mit dem Peter-Joseph-Lenné-Preis für Garten- und Landschaftsarchitektur ausgezeichnet wurden, werden wohl nicht realisiert. Darin war noch von einem Museum und Gastronomie in den alten Abhörgebäuden die Rede. „Das ist schlussendlich auch eine Finanzfrage“, macht Sprecherin Rohland wenig Hoffnung.

Über die Intensität der Gesprächsbemühungen mit dem Grundstückseigner herrscht indes Unklarheit. Der Status quo sei „nicht schön“, sagt Petra Rohland. Allerdings sei der Teufelsberg „auch nicht das erste Problem, das Berlin lösen muss“. Immerhin bestätigt die Finanzverwaltung aktuelle Kaufgespräche mit den Investoren.

Angebot und Ablehnung

Auch Hanfried Schütte berichtet von „intensiven Korrespondenzen“ mit dem Berliner Liegenschaftsfonds, der als Mittler zwischen Senat und Eigentümer agiert. Man habe der Stadt das Plateau zum Einstandspreis angeboten, so Schütte. Für Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) kein akzeptables Angebot. Man wolle das Grundstück nur für eine Summe zurückzukaufen, „die erheblich unter dem Kaufpreis liegt“, so Sarrazins Sprecher Clemens Teschendorf. Das Areal sei nun ausgewiesenes Waldgebiet – und damit weniger wert. Zudem sei es mit beträchtlichen Schulden belastet. Von Hypotheken im 30-Millionen-Euro-Bereich ist die Rede. Die werde das Land keinesfalls übernehmen, sagt Teschendorf.

„Natürlich würden wir das Gelände mit geräumtem Grundbuch übergeben“, betont Hanfried Schütte mittlerweile. Das Senatsangebot hält er allerdings für „witzlos“. 20 Prozent des Kaufpreises habe ihm Berlin geboten. „Das ist schon fast unsittlich“, schimpft Schütte. Er überlege nun, gegen die Stadt zu klagen. Die Drohgebärden verbreiten in den Senatsverwaltungen bisher allerdings wenig Schrecken. Man wolle erst mal sehen, wie „gegenstandsträchtig“ die Klage der Investoren sei, so Petra Rohland von der Stadtentwicklungsverwaltung.

Über so viel Hickhack kann Ökowerk-Chef Hartwig Berger nur den Kopf schütteln: „Das ist Kulturbarbarei. Es gibt keine Sensibilität Berlins für einen der attraktivsten Orte der Stadt.“ Er fordert vom Senat, das Grundstück endlich zurückzukaufen und die Begrünung zu beginnen. Bezahlt werden könne das Plateau mit dem Geld, das die Stadt einst für den Verkauf eingenommen habe. Die neuerlichen Avancen der Eigentümer auf eine Alternativbebauung hält Berger für irrsinnig: „Sie nehmen den Mund zu voll. Da wird einer Fata Morgana hinterhergestarrt.“

Marder und Echsen

Derweil beobachtet der Naturschützer mit seinem am Fuße des Teufelsbergs gelegenen Öko-Zentrum den Verfall der alten Abhörstation. „Das sieht kläglich aus, eine richtige Spekulationsruine“, klagt Berger. Und auch Elmar Kilz, Forstamtsleiter des Grunewalds, spricht von „Vandalismus ohne Ende“. „Regelrechte Mauerspechte“ seien am Teufelsberg am Werk. Das Gelände werde zudem nur „notdürftig“ bewacht. Sogar Filmarbeiten und Partys habe es dort gegeben, bestätigen Kilz und Berger.

Inzwischen haben aber auch Flora und Fauna die Begrünung des Teufelsbergs in Angriff genommen. Üppig wuchert Gras über den Ruinen. Marder, Fledermäuse und Mauerechsen hätten sich auf dem Gelände breitgemacht, verrät der Förster. Auch ohne Aufforstung könne man in wenigen Jahren eine natürliche Wiederbewachsung der Bergspitze erreichen, schätzt Kilz. In seine Zuständigkeit würde das Grundstück nach dem Rückkauf fallen. Der Forstamtsleiter malt sich eine ganzheitliche Umgestaltung des Bergs aus, die mit Fördergeldern der EU gelingen soll. Auf dem Spionagegelände bliebe nur ein hölzerner Aussichtsturm inmitten eines frisch gewachsenen Waldes.

Doch wer soll den Abriss der alten Abhöranlagen bezahlen? Die Investorengemeinschaft lehnt kategorisch ab, der Senat weicht bei dieser Frage aus. Und die EU fördert nur tatsächliche Naturschutzmaßnahmen. Förster Elmar Kilz rechnet mit einem „ein- bis zweistelligen Millionenbetrag“ für die Arbeiten. „Bei Asbestverseuchung kann sich diese Summe verzehnfachen.“

Für die Anwohner hingegen gibt es keine Alternative zur Wiederbegrünung ihres Teufelsbergs. „Eine Bebauung wäre ein ganz starke Beeinträchtigung für den Wald“, findet Gisela L. Ihr Haus in der Eichkampstraße grenzt an den Grunewald. Sie hatte einst im „Aktionsbündnis Teufelsberg“ protestiert – und würde bei einem neuen Bauvorhaben wieder etwas unternehmen. Dann wären auch Hartwig Berger und sein Ökowerk wieder dabei. Mit einer „doppelten Protestwelle“, so der Vorsitzende. Eine gegen den Investor und eine gegen den umgefallenen Senat.

Die Berliner haben den Teufelsberg derweil längst für sich erobert. Nordic Walker, Mountainbiker, Jogger, Gassi-Geher, Drachenflieger und Schulklassen tummeln sich heute an dem Hügel. Anwohnerin Gisela L. lächelt: „Ohne Teufelsberg und Grunewald wäre ich wahrscheinlich gar nicht mehr in Berlin.“