Amt fällt Bürgern in den Rücken

Hinterrücks lässt das Schifffahrtsamt 22 Bäume am Landwehrkanal umhauen. Bürger und Bezirk sind empört. Bürgermeister will bei Tiefensee protestieren. Ströbele fordert personelle Konsequenzen

VON VEIT MEDICK

Das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) hat für einen Eklat gesorgt. Völlig überraschend fällte es gestern 22 Bäume am gesamten Landwehrkanal – während es parallel mit der Bürgerinitiative, Naturschützern und dem Bezirk über die Sanierung des maroden Ufers verhandelte.

Vertreter der Kreuzberger Bürgerinitiative, die seit Wochen um den Erhalt des Baumbestands kämpft, warfen der Behörde daraufhin eine „Lügenkampagne“ vor. Das Amt habe die Verhandlungen lediglich als Ablenkungsmanöver missbraucht, beklagte Bündnissprecherin Anuschka Gruttzeit. Kollege Oliver Ginsberg erklärte, er habe eigentlich das Gefühl gehabt, man sei auf einem guten Weg. Jetzt sei er maßlos enttäuscht: „Während laufender Verhandlungen Fakten zu schaffen, ist ein unerträglicher Affront.“ Bezirksvertreterin Anke Woite sprach von einem „intransparenten Verhalten der Bundesbehörde“, das man aufs Schärfste missbillige. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) werde deswegen bei Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) protestieren.

Zeitpunkt und Ausmaß der Fällmaßnahmen kamen in der Tat völlig unerwartet. Seit Montag hatte die Expertengruppe zusammengesessen, um an einer Lösung im seit Wochen schwelenden Baumstreit zu arbeiten. Grundlage der Diskussion waren die unterschiedlichen Ergebnisse der Gutachter. „Wir waren für Kreuzberg schon zu einem Teilkompromiss gekommen“, sagte Woite der taz. Sechs Bäume sollten demnach erhalten werden, über die restlichen neun bestand ein Dissens. Die vom WSA zum Fällen bestimmten Bäume im Bezirk Mitte hatten Gegenstand späterer Verhandlungsrunden werden sollen.

Nach Angaben des Bezirksamts und der Bürgerinitiative war vereinbart worden, gestern nach einem erneuten Treffen am Morgen mit einer möglichst einvernehmlichen Lösung an die Presse zu gehen. Doch nach 90 Minuten kam es zum Eklat. Nach taz-Informationen eröffnete WSA-Leiter Hartmut Brockelmann der versammelten Runde, dass die Fällung der Bäume, über die man gerade diskutiere, bereits in vollem Gange sei. Zuvor waren zum Erstaunen der Anwesenden bereits zwei über die Maßnahmen informierte Polizisten im Saal erschienen. Das WSA hatte schon am Mittwoch die Polizei um Vollzugshilfe gebeten. Vertreter der Bürgerinitiative und des Bezirksamts verließen daraufhin empört die Sitzung.

Nicht alle Fällmaßnahmen „sind im Konsens geschehen“, sagte WSA-Chef Hartmut Brockelmann kurz nach Beginn der von 150 Polizisten geschützten Abholzungen der taz. Die Sicherung der betroffenen Bäume hätte das Amt rund 70.000 Euro gekostet. Dies sei „nicht vertretbar“ gewesen. Mehr als die 22 Bäume sollten aber als Ad-hoc-Maßnahme nicht gefällt werden.

Brockelmann verwies darauf, dass das WSA ursprünglich 41 Bäume fällen wollte. „Wir haben also 19 Bäume gerettet.“ Ab heute sei auch der Kanal zwischen Oberschleuse und Urbanhafen wieder geöffnet. Nun könne seine Behörde das Sanierungskonzept angehen. Bis September sollen die Pläne fertig sein.

Die Grünen zeigten sich angesichts des WSA-Alleingangs schockiert. „Das ist ein ungeheuerlicher Vertrauensbruch“, sagte der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele. Der rechtspolitische Sprecher im Abgeordnetenhaus, Dirk Behrendt, sprach von einem „unerhörten Vorgang“. Ströbele forderte das Verkehrsministerium auf, seine untergeordneten Behörde einer Komplettreform zu unterziehen. Es sei fraglich, ob das WSA in der aktuellen personellen Zusammensetzung ein Sanierungskonzept erarbeiten könne.