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Archiv-Artikel

Kubaner sind wie Zwiebeln

betr.: „Die glücklichen Kinder der Revolution“ von Joachim Lottmann, taz zwei vom 3. 7. 07

Dieser Artikel schreit buchstäblich nach Widerspruch, schon allein um der Kubaner willen, die auf dieser Insel leben müssen und die sich nicht wie Joachim Lottmann am spendierten Rum genüsslich tun, die karibische Sonne genießen und dann wieder nach Hause fahren können.

Kubaner sind wie Zwiebeln, man muss sie lange kennen, um durch die oberflächlichen Häute hindurch zum Kern ihres Schicksals und zur Wahrheit ihres Lebens vorzudringen, und es bedarf hierzu in der Tat einer sehr sensiblen verbalen Auseinandersetzung, denn Kubanisch ist nicht gleich Spanisch. Sie sind wie Zwiebeln, weil das System, in dem sie groß geworden sind, auch wie eine Zwiebel ist. Die oberflächlichen Häute erzählen von den goldenen Zeiten der Revolution, die inneren von einem alltäglichen Kampf um die Bewahrung der letzten kleinen Freiheiten und einer annähernd erträglichen Existenz.

Der kubanische Staat rühmt sich mit der „elektrischen Revolution“, die den kubanischen Haushalten den Einplatten-Elektroherd, den Reistopf und den Tauchsieder, alles übrigens aus „China, China, China“, beschert hat. Vom Preis, den die Kubaner bezahlen, ist nie und nirgends die Rede. Die Stromkosten verschlingen die Hälfte eines Akademikergehaltes, die Abzahlung des Kredits für die neuen Geräte kann ein ganzes Leben belasten und sämtliche Spielräume für andere wichtige Investitionen, und sei es das dringend benötigte Paar neuer Schuhe, nehmen. Es gibt Hunger in Kuba, und wer behauptet, das sei nicht so, ist noch zu keiner inneren Zwiebelhaut eines Kubaners vorgestoßen, geblendet vom offensichtlich zu hellen Schein der karibischen Sonne. Es gibt kubanische Männer, die verlassen ihre Familie für Jahre, um für 500 Euro im Monat ärztliche Dienste im fernen Afrika zu verrichten, denn das Gehalt zweier Akademiker in der Familie reicht nicht mehr zum bloßen Überleben in Würde. Der kubanische Staat verkauft seine Ärzte zur Devisenbeschaffung, und im eigenen Land bleiben Krankenhäuser und Arztpraxen hoffnungslos unterbesetzt. Ohne Beziehungen geht nichts mehr in der medizinischen Versorgung.

Vielleicht ist dem Autor ja entgangen: Kubaner, die sagen, was sie von Fidel denken, lassen seinen Namen nicht mehr über ihre Lippen, sondern ersetzen ihn durch Gesten. Der Blockwart des Viertels könnte ja hinter ihrer Türe stehen. Dies alles entwertet die großen historischen Errungenschaften der Revolution nicht, aber wer die derzeitige Realität so gänzlich fehleinschätzt, sollte nicht über dieses Land schreiben. KONSTANZE SCHÖNTHALER, Freising