Unfreiwillige Bundes-Freiwillige

ZWANGSDIENST Weil der neuen Bundesfreiwilligen-Dienst nicht gut ankommt, werden auch Bremer Einrichtungen gezwungen, eine Quote zu erfüllen

Mit der Aussetzung der Wehrpflicht trat der Bundesfreiwilligendienst zum 1. Juli in Kraft, als Zivildienst-Nachfolger.

■ Frauen und Männer ab 16 können den Dienst antreten, ohne Altersbegrenzung.

■ In der Regel dauert er ein Jahr, mindestens jedoch sechs und höchstens 18 Monate.

■ Ein Bundesfreiwilliger bekommt im Monat ein Taschengeld von bis zu 330 Euro, dazu kommen die Kosten für Unterkunft, Arbeitskleidung und Verpflegung.

■ Der Bundesfreiwilligendienst ist dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) angeglichen, das seit fast 50 Jahren besteht und von den Ländern verwaltet wird. Das FSJ ist auf unter 27-Jährige beschränkt. jpb

von Jean-Philipp Baeck

Bremer Sozialverbände ärgern sich über eine Stellenquote für den neuen Bundesfreiwilligendienst, den Nachfolger des Zivildienstes. Danach will das Bundesfamilienministerium Zuschüsse für das schon länger bestehende Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) nur zahlen, wenn ein Träger neben drei FSJ-Stellen auch zwei Bundesfreiwillige (Bufdis) unter Vertrag hat. „Räuberische Erpressung“ nennt das der Landespfarrer der Diakonie in Bremen, Michael Schmidt. Anders als der Zivildienst-Nachfolger BFD ist das FSJ nämlich überaus beliebt, viele Einrichtungen bekommen weit mehr Bewerbungen als sie Plätze haben. Beim BFD bleiben hingegen viele Stellen frei. Beim Sozialen Friedensdienst Bremen etwa fangen neben 170 FSJlern nur rund 40 Bufdis an.

60 Bufdis, so hat Diakonie-Pfarrer Schmidt ausgerechnet, müsste er finden, um die Quote der Bundesregierung zu erfüllen, bisher hat die Diakonie keinen einzigen. Damit steht eine Menge Geld auf dem Spiel, 200 Euro schießt der Bund für die pädagogische Betreuung sowohl von FSJlern und Bufdis zu. „Für uns geht es um etwa 30.000 Euro an Zuschüssen monatlich, das ist eine ganz schöne Katastrophe.“ Sein Verein wolle nun versuchen, von den 140 FSJlern einige zu überreden, stattdessen den Bundesfreiwilligendienst anzutreten. Doch dass er so viele finden wird, bezweifelt Schmidt. Denn das FSJ ist seit Jahrzehnten etabliert, beim BFD, den es erst seit dem 1. Juli 2011 gibt, sind noch viele Fragen offen.

Am wichtigsten für die BewerberInnen ist die nach dem Kindergeld. Lange war unklar, ob es die 184 Euro auch für Bufdis geben wird. Das Familienministerium versichert zwar, dass es gezahlt wird, jedoch nicht vor November. Für die Bufdis beziehungsweise ihre Familien kann das eine Menge Geld sein. Von dramatischen Szenen erzählt etwa Anne Brandt, Abteilungsleiterin für Freiwilligendienste bei der AWO in Niedersachsen und Bremen. Angehende Freiwillige seien weinend in ihre Einsatzstelle gekommen, um zu erklären, dass ihre Eltern wegen der Unklarheiten beim Kindergeld den Einsatz als Bundesfreiwillige nicht mitmachen. „Viele BFD-Stellen sind deshalb bei uns frei geblieben“, so Brandt. Nur 20 BFD-Stellen konnte die AWO in Niedersachsen und Bremen besetzen – und 300 FSJ-Stellen.

Unsicher ist auch, ob die BFD-Zeit wie das FSJ bei Universitäten als Vorpraktikum anerkannt wird. Und ob es die üblichen Ermäßigungen für Museen und Straßenbahntickets geben wird.

Auch inhaltliche Unterschiede zwischen den beiden Diensten gibt es. Das FSJ ist Ländersache, die Bildungsarbeit kann recht frei gestaltet werden, auf von den Trägern gestalteten Wochenseminaren oder Bildungstagen. Beim Bundesfreiwilligendienst müssen die Freiwilligen für mindestens eine Woche auf ein Seminar in eine der ehemaligen Zivildienstschulen, etwa in Ritterhude.

Das Bundesfamilienministerium kann sich dennoch nicht erklären, warum der neue Dienst so wenig attraktiv ist. „Das FSJ ist wohl noch bekannter“, so ein Sprecher des Ministeriums. An Freiwilligen, die sich sozial engagieren wollen, mangelt es offenkundig nicht. „Für das FSJ wurden uns 60.000 Bewerber gemeldet, dabei gibt es nur 35.000 Stellen“, so der Sprecher. Damit die vielen Bewerber nicht leer ausgingen, sei die Quote nötig geworden, denn BFD-Stellen gebe es schließlich genug.

Keine Probleme mit der Quote hat der Bremer Landesverband des Roten Kreuzes. Neben 20 FSJlern beginnen 20 Bundesfreiwillige ab August in den Einsatzstellen – im Rot-Kreuz-Krankenhaus, der Bremischen Schwesternschaft und im Kreisverband Bremerhaven. Das ausgeglichene Verhältnis kommt jedoch nur zustande, weil der Bremer DRK-Verband in diesem Jahr zum ersten Mal als eigener Träger auftritt und so von Anfang an auf beide Dienste gesetzt hat.