: Lahme Enten mit Erfolgen
KONFLIKTLÖSUNG Die Wirtschaft entdeckt langsam die Mediation als effiziente und günstige Alternative zu Gerichtsverfahren. In Hamburg vermittelt die Handelskammer Mediatoren an zerstrittene Geschäftspartner
Seit Anfang der 1990er-Jahre gibt es Mediation in Deutschland als Alternative zu oft langen und teuren Gerichtsverfahren.
■ Freiwillig ist jedes Verfahren, aber es gibt Unterschiede zwischen gerichtlicher und freiberuflicher Mediation, je nachdem ob der Mediator Richter oder Privater ist.
■ Jeder der möchte, kann sich Mediator nennen, es ist keine spezielle Ausbildung nötig.
■ Am Ende können die Parteien einen Mediationsvertrag unterzeichnen, der mit dem Gang zum Notar auch vollstreckbar ist.
■ Auch in Stade gibt es eine Mediationsstelle bei der Handelskammer. JLA
VON JOHANN LAUX
In Unternehmen vermuten manche nüchterne Entscheider, hörig ihren Bilanzen und taub ihrer Gefühle. Doch Peter Pekrun kennt es anders: So weigerte sich ein Bauherr nach einem gemeinsamen Urlaub mit seinem Architekten plötzlich, dessen Rechnung zu zahlen und verlangte selbst Schadensersatz in Millionenhöhe. Während der Richter in einem langen Prozess die gerügten Baumängel prüfen musste, erfuhr Pekrun in wenigen Sitzungen abseits des Gerichtssaals, was eigentlich los war: Der Architekt hatte anscheinend im Urlaub der Frau des Bauherrn Avancen gemacht. Pekrun ist Anwalt und Mediator, vermittelte zwischen den Parteien. „Es gibt Dinge, die kein Richter mitbekommt oder juristisch nicht verwerten darf, wenn er nicht als befangen abgelehnt werden will“, sagt sein Kollege Axel Bösch.
Bösch und Pekrun haben sich vor Jahren zu Mediatoren ausbilden lassen. Sie moderieren bei Konflikten in der Wirtschaft - und dürfen auch vermeintliche Nebensächlichkeiten berücksichtigen. Ihre Bürofenster am Hamburger Baumwall liegen fast in Sichtweite, doch ihre Klientel ist sich ferner: Bösch sitzt im 20. Stock einer internationalen Großkanzlei, Pekrun vertritt eine mittelständische Sozietät. Gemeinsam mit rund 100 Kollegen, die meisten Rechtsanwälte, stehen sie auf einer Mediatorenliste der Handelskammer Hamburg. Dort wacht Christian Graf, Leiter des Bereichs Recht, über das Register und sucht für Interessenten den passenden Mediator. Ein betagter Unternehmer habe einmal unbedingt einen Mann gewollt, der genau so lebenserfahren, bibelfest und auf keinen Fall Rechtsanwalt ist, berichtet Graf. Er bekam ihn.
Seit Februar 2000 unterhält die Handelskammer mit der Rechtsanwaltskammer und dem Hamburger Institut für Mediation eine Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte. „Unter den eher bodenständigen Hamburger Kaufleuten lief es nur langsam an“, sagt Graf. Inzwischen gebe es aber zwischen 100 und 150 Verfahren im Jahr.
Der Anreiz: Sie können Geld und Zeit sparen. Ein Prozess über alle drei Instanzen dauert im Schnitt 37 Monate und häuft bei einem Streitwert von 500.000 Euro, in Handelssachen keine Seltenheit, rund 90.000 Euro an Prozesskosten an. Eine Mediation ist in der Regel nach drei Monaten in maximal vier oder fünf Sitzungen beendet. Die nur unverbindliche Gebührenordnung der Mediationsstelle sieht einen Stundensatz zwischen 150 und 350 Euro vor. „Kaum ein großes internationales Unternehmen schließt heute noch Verträge ohne Mediationsklausel“, sagt Bösch. Der Kostenvorteil einer Mediation kann gegenüber einem Gerichtsverfahren zusammen schmelzen, wenn der Streitwert gering ist oder die Parteien sich zusätzlich anwaltlich beraten lassen.
Anders als Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler formuliert ein Mediator keinen eigenen Lösungsvorschlag. „Die Parteien kennen die Lösung“, sagt Bösch. Das Verfahren eigne sich dort am besten, wo Zwang zur Einigung bestehe, weil die Parteien längerfristig gebunden sind, wie etwa Mitgesellschafter oder Eheleute.
Auch Joachim Baumert steht auf Grafs Liste und ist selbst Kaufmann: „Der Schlüssel liegt darin, die Kommunikation wieder herzustellen und die Parteien weg von ihren Positionen, hin zu ihren Interessen zu bringen.“ Immerhin stünden wertvolle Geschäftsbeziehungen auf dem Spiel. „So lässt sich verhindern, den Geschäftspartner vor Gericht in die Insolvenz zu zwingen.“
Nicht immer ist eine Mediation erfolgreich. „Mediatoren sind Lame Ducks, was ein Erfolgstreiber ist“, sagt Bösch. Weil Sie keine Entscheidungsgewalt haben, könnten die Parteien ihnen gegenüber völlig offen sein. Eine Lösung müssen sie in eigener Verantwortung erarbeiten. Scheitern sie, haben sie ihre Zeit verschwendet und doppelte Kosten. „Die Erfolgsquote liegt aber bei knapp 80 Prozent“, sagt Graf.