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Archiv-Artikel

Glücklicher Faschist

POPKULTURCOLLAGE Im Stück „Conan Baby“ des Duos „Skart“ wird der stumpfsinnige Barbar zum trashigen Abziehbild für das desorientierte Individuum im Kapitalismus

VON ROBERT MATTHIES

Einmal im Leben nicht der Loser sein: Wer immer schon mal Sand ins Gesicht des Schulhofschlägers werfen und damit das Herz einer eingeölten Schönheit erobern wollte, für den war der Barbar Conan in den 1980ern das willkommene Role Model: ein von harter Arbeit gestählter Ex-Kindersklave, der ebenso Bekleidungs- wie Wort-arm im Alleingang Rache nimmt. Für alle anderen allerdings war John Milius’ Low-Fantasy-Streifen mit dem eindrucksvoll ausdruckslosen Arnold Schwarzenegger in seiner ersten Filmrolle nur menschenverachtender faschistoider Stumpfsinn: ein Celluloid gewordener feuchter Traum für totalitäre Gewaltfreaks.

Für Mark Schröppel und Philipp Karau aber steckt in dem umstrittenen Genreklassiker mehr. „Wir haben in dem Film ein Paradebeispiel für den zeitgenössischen westlichen Menschen entdeckt“, erzählen die zwei Theaterwissenschaftsabsolventen der Uni Gießen, die sich vor acht Jahren im Performance-Duo „Skart“ – kurz für: „Schröppel Karau Art Repetition Technologies“ – zusammengetan haben, um popkulturell geprägtes Collagentheater mit politischem Anspruch zu machen. Für sie ist der muskelbepackte Rächer eine gleichnishafte Ikone: ein isoliertes und verunsichertes Individuum, ein ruheloser Entwurzelter, hin- und hergeworfen zwischen Größenwahn und Überforderung, Hoffnung und Versagen, Zwang und Eskapismus.

Bereits im vorigen Jahr haben Schröppel und Karau den ersten Teil ihrer Geschichte des stumpfsinnigen Sinnsuchers in der Performance „Conan der Barbar“ erzählt. Als multimediale Anarcho-Materialschlacht mit irrwitzigen Bühnenbildern, handgemachten Videos, totalitären Elektrosongs und jeder Menge zwanglosem Sendungsbewusstsein.

„Wir haben Milius’ Film als Blaupause benutzt, um eine Zeitgeistfarce zu erzählen, in der jeder von uns ein trashiges Abziehbild Conans sein kann“, erzählt Schröppel. Aus dem Ein-Mann-Rachefeldzug des Barbaren wird bei „Skart“ so eine groß angelegte Auseinandersetzung mit Desorientierung und Aufbegehren im Kapitalismus.

„Unser Conan hangelt sich durch verschiedene Lebensstationen, die immer an Sinnkrisen gekoppelt sind“, erklärt Karau. Da geht es inmitten surrealer Vogelwesen, im SM-Vakuumbett oder auf einem Turm aus Coca-Cola-Kisten ums Verlieben und die Sexualität, um den Materialismus oder die Spiritualität. Aber immer wieder scheitert die barbarische Suche nach einer sinnstiftenden Existenz: glücklich wird dieser Conan im zeitgenössischen Kapitalismus nicht.

Im zweiten Teil, „Conan der Zerstörer“, haben Schröppel und Karau ihren Anti-Helden deshalb mit der Ideologie flirten lassen. In einer kruden Mischung aus Lesung, Vortrag und Late-Night-Talkshow wird dem Einzelkämpfer nun ein schmerz- und widerspruchsfreies Leben ohne Angst und Sinnentzug versprochen: als Faschist. Für Schröppel und Karau eine Möglichkeit, neokonservative Tendenzen nebst Biedermeier-Relaunch und Einfamilienhaus-Eskapismen zu hinterfragen, indem die dahinter liegenden Wertevorstellungen ins Absurde getrieben werden.

Mit „Conan Baby“ bringen „Skart“ nun auf Kampnagel eine Fusion der vorangegangenen Teile als zweieinhalbstündige Tour de Force in drei Teilen auf die Bühne: vom Biografie-Teil mit mitten in der Bühne sitzendem Publikum geht es in einen White Cube zur Indoktrination durch einen Sektenguru und schließlich in eine Late-Night-Show, in der in übergriffiger Interaktion mit dem Publikum Körperkult, Design und Vorteile totalitärer Regime untersucht werden.

Es ist eine eigentümliche Mischung aus Irritation, Humor und Sendungsbewusstsein, die das Duo dabei antreibt. „Wir zielen nicht auf einen eindeutigen Erkenntnisgewinn“, sagt Karau. „Wir bieten stattdessen eine Collage an, die sich an verschiedenen Themenkomplexen abarbeitet.“ Nicht belehrt soll das Publikum am Ende aus dem Theater kommen, sondern Anreize mitnehmen, sich auf ganz persönliche Weise mit der Thematik auseinanderzusetzen. „Unsere Stücke sind oft intensiv und auch überfordernd“, sagt Schröppel. „Wir versuchen, die Leute, aber auch uns selbst bei den Konventionen zu packen – indem wir uns mit offenem Visier brachial die Breitseite geben.“

■ Premiere: Mi, 3. 12., 19.30 Uhr, Kampnagel. Weitere Aufführungen: Do, 4. 12., bis Sa, 6. 12.