: Sand in der Stadt
Hoffnung auf Regen
Ein Glück, dass es wieder geregnet hat! Sonst hätte ich mich höchstpersönlich nachts mit einer Schippe auf den Weg gemacht, um endlich die Sandskulpturen am Hauptbahnhof plattzuklopfen.
Alpträume bekommt man davon. Wer diese gruselige Mischung aus Achtzigerjahre-Surrealismus, Esoterik und schlichtweg schlechtem Geschmack zu verantworten hat, gehört eingebuddelt. In Extra-„Sandsation“-Sand, der ja irgendwie größere, eckigere Körnchen haben soll, warum er auch so vermaledeit gut pappt.
Inhaltlich scheinen die StrandkünstlerInnen sich in diesem Jahr vor allem an den Folgen des Klimawandels abzuarbeiten: Beherrscht wird der Platz von einer überdimensionalen Sandratte, die auf aufgetürmten Sand-Käsestücken hockt und zusammen mit den lebendigen, tausendfach auf dem Gelände angreifenden, ekligen, fliegenartigen Insekten auf die Ungeziefer-Vermehrung hinweist, die die Temperaturerhöhung ausgelöst hat. Daneben komische Außerirdischen-Köpfe, Ur-Mütter mit Riesen-Hängebrüsten und eingeklemmte Sandmännchen.
Und das Schlimmste dabei ist: Dies Grauen scheint ansteckend und übertragbar zu sein. Inmitten der komischen Fliegenschwärme hockt zwischen Bolle-BerlinerInnen, verwunderten TouristInnen und plärrenden, vermatschten Kindern ein dickes Mädchen, das auf dem Kinderhügel ganz allein ein Sand-Pokemon gebaut hatte, Pikachu, um genau zu sein, und ja, ich schäme mich, dass ich weiß, wie das blöde Ding heißt. Muss am schlechten Einfluss der Sandkünstler liegen. Bin ich froh, wenn Regen und Bagger die Berge wieder weggespült und -geschoben haben. Denn unter dem Sandstrand liegt das Pflaster. JENNI ZYLKA