Massentierhaltung im Wasser statt an Land

ERNÄHRUNG In der Theorie bietet die Fischzucht große Umweltvorteile. Doch in der Praxis gibt es kaum nachhaltig wirtschaftende Aquakulturen. Bis 2030 wird sich die Produktion von Zuchtfisch verdoppeln

„Pangasiuszucht ist eine ökologische Sünde sondergleichen“

BIOLOGE WERNER KLOAS

BERLIN taz | Fischfarmen schaden der Umwelt weniger stark als die Produktion von Fleisch. Zu diesem Ergebnis ist eine Studie gekommen, die erstmals weltweit die Umweltbelastung durch die Zucht von Fisch und Meeresfrüchten in Anlagen im Meer oder in Binnengewässern mit Viehhaltung an Land verglichen hat. Allerdings mangelt es vielen Anlagen an Nachhaltigkeit.

Positiv an der Aquakultur ist, dass Fische Energie effizienter umsetzen. Dadurch werden für die gleiche Menge Fleisch nur 13 Kilo an Futter benötigt – gegenüber 38 Kilo bei Schweinen und 61 Kilo bei Rindern. Trotz teilweise hohem Strombedarf sieht daher auch die CO2-Bilanz besser aus. Die Studie der Nichtregierungsorganisationen Conservation International (CI) und World Fish Center sagt einen starken Anstieg der Produktion bis 2030 voraus, sogar eine Verdoppelung auf mehr als 100 Millionen Tonnen jährlich sei möglich.

Die Aquakultur gehört zu den am schnellsten wachsenden Sektoren der Nahrungsmittelproduktion und wird bis 2020 jedes Jahr 2,8 Prozent zulegen, stellen auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen in ihrem jüngsten Bericht fest. Schon heute stammt fast die Hälfte des Speisefischs von solchen Farmen, bei Lachs sind es gar drei Viertel. Neun von zehn Zuchtfischen kommen aus Asien, vor allem aus China.

Doch die Massenproduktion verursacht auch Folgeschäden. Verschmutzung und Medikamenteneinsatz sind weit verbreitet. So sei die Pangasiuszucht in Südostasien „eine ökologische Sünde sondergleichen“, wie Werner Kloas vom Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) erklärt. Das Wasser sei durch Ausscheidungen verdreckt, der Sauerstoffgehalt gering. Auch große Produzenten wie China und Vietnam müssten deshalb umdenken. Kloas glaubt, dass die Umweltbelastung durch nachhaltige Fischfarmen stark reduziert werden könnte. Vom Futter aus Fliegenmaden bis zur Nutzung der Abwässer als nährstoffreicher Dünger habe er ein geschlossenes System entwickelt. So könne man unter Schonung natürlicher Ressourcen und ohne Medikamente Fisch züchten – und dabei auch noch Tomaten ernten.

Es gibt aber Zweifel, ob sich Nachhaltigkeit in der Aquakultur wirtschaftlich rechnen und damit für ärmere Länder attraktiv sein kann. Henning von Nordheim vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) hält einen ökologischen Betrieb zwar für denkbar. Auch seien geschlossene Systeme eher kontrollierbar als solche im Meer, wo belastetes Wasser in die Ökosysteme entweichen und es zu einer Verbreitung ortsfremder Arten kommen könne. Doch hätten sich nachhaltige Farmen bislang nicht durchgesetzt – auch nicht in Europa. „Ich sehe hierfür keine Anzeichen“, so von Nordheim. Er kritisierte außerdem den Fokus mariner Aquakultur auf die Zucht fleischfressender Fische wie Lachs. So entstehe ein unnötiges „Luxusprodukt“, das zur Lösung der Ernährungsprobleme der Welt nichts beitrage. DANIEL HERTWIG