DIE LIEBESERKLÄRUNG : Papst Franziskus
KRITIK AM MARKT, MITGEFÜHL FÜR FLÜCHTLINGE UND SEXUALITÄT ALS PRIVATSACHE – LINKER WIRD’S NICHT. FREUEN WIR UNS DOCH
Das Problem mit spirituellen Führern ist ihr spiritueller Führungsanspruch. Der lässt sich nicht wegdiskutieren. Wo ihren Weisungen ein gewisses Gewicht beigemessen wird, sind sie weisungsbefugt. In laizistischen Gesellschaften können aufgeklärte Atheisten über solche Figuren nur schmunzeln. In Deutschland sind Kirche und Staat keineswegs so sauber getrennt sind, wie sie es sein sollten. Da kann einem das Lachen schnell vergehen. Es ist nicht einzusehen, weshalb Männer in Frauenkleidern bei Themen wie Steuer, Schwangerschaftsabbruch oder Schierlingsbecher ein Wörtchen mitzureden hätten. Haben sie aber.
Natürlich kann man der katholischen Kirche konsequent den Rücken kehren. Nur könnte man dann nicht mehr sehen, was sie hinter unserem Rücken eigentlich treibt. Immerhin ist diese Kirche als metaphysisches Versicherungsunternehmen älter als Exxon, Nestlé und Monsanto zusammen und ihr aktueller CEO von geradezu aufreizender Integrität.
Gerne lauschen wir den in Jahrhunderten gereiften Plattitüden „geistlicher Oberhäupter“, sofern sie uns nichts vorzuschreiben haben. Nur deshalb erscheint uns eine tibetanische Grinsekatze näher als der Papst, obwohl beide im Alltagsgeschäft mit Hokuspokus handeln.
Franziskus sei deshalb gerade von Kirchenfernen ebenfalls an seinen Worten gemessen. Symbolpolitik ist auch Politik. Und da spielt es eben eine Rolle, ob ein Papst sich im Rahmen seiner Möglichkeiten theologischen Studien widmet – oder ob er die Macht der Märkte kritisiert, auf das Elend der Flüchtlinge hinweist und Sexualität zur Privatsache erklärt.
„Spirituelle Autorität“ ist ein Widerspruch in sich, „moralische Autorität“ nicht. Die kann man sich erwerben. Freuen wir uns also über diesen Papst. Linker wird’s nicht.
ARNO FRANK